Die Malerin Simone Haack hat eine Bildsprache entwickelt, die sich der Mittel des Realismus bedient, ohne Realität abzubilden. Ein Gespräch über Kitsch, ihre Anfangsjahre und Rauschzustände durch einen Fliegenpilz
Von
03.02.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 1/22
Zuletzt war Simone Haack in Berliner Ausstellungen wie „Female Gaze“ bei Alexander Ochs oder „Preparing for Darkness“ bei Selected Artists zu sehen. Ebenso in „Wi(e)der das Böse“ im Bomann-Museum Celle und in „Sekundenschlaf“ in der Kunsthalle Brennabor. Ihr blaues Porträt „Grace“ ziert im traditionsreichen Dumont-Kunstkalender für 2022 den Januar. Und der griechische Großsammler Thanassis Frissiras wird Arbeiten von ihr später im Jahr in seinem Athener Privatmuseum präsentieren. Die 43-Jährige ist also gut im Geschäft. Wichtige Impulse für ihre Malerei erhielt sie als Schülerin von Katharina Grosse und Karin Kneffel, indirekt auch durch Werke von Georg Baselitz, Eugen Schönebeck und Henri Michaux. Bis heute arbeitet sich Haack unermüdlich am Realismus ab.
Wie hat es mit deiner Malerei angefangen?
Als ich 1997 in Bremen begonnen habe zu studieren, ging ich zunächst zu Jürgen Waller, der dem sozialistischen Realismus zugeneigt war. Waller hatte zuvor in Düsseldorf gearbeitet, unter Brücken geschlafen, war Autodidakt. Anfangs ist da aber nur sehr wenig passiert. Dann kam 1998/99 Katharina Grosse – für mich ein wichtiger Impuls. Vorher war es dort eher verstaubt. Jetzt änderte sich das.
Was passierte?
Es wurde internationaler. Katharina Grosse war damals noch nicht so bekannt, aber es herrschte Aufbruchsstimmung. Vor allem gab es endlich auch mal eine Frau – sonst waren nur Männer an der Hochschule für Künste. An Grosse habe ich sehr geschätzt, dass sie ein scharfsinniger, analytischer Geist ist. Und sie hat mir auch den Kick gegeben, den ich brauchte. Es war auch die Zeit, in der Grosse ihren internationalen Durchbruch hatte. Ein Jahr war ich bei ihr in der Malereiklasse …
Welchen Kick hat sie dir gegeben?
Es ging bei ihr nie um ihre eigene Arbeit. Vielmehr hat sie in ihrer Lehre eigene Werke komplett außen vor gelassen und mich in Gesprächen dazu ermutigt, selbst Gedanken zu formulieren. Dazu gehörte auch, zu recherchieren, nachzuforschen – und so hart zu arbeiten, dass man auch wirklich auf etwas stößt, das man gebrauchen kann. Es ging mir vor allem um den Ausdruck in der Kunst. Und am Anfang habe ich nicht nur gemalt, sondern auch Bronzen gegossen und Installationen hergestellt, Schwarz-Weiß-Fotografien gemacht, Animationen, Trickfilme – und vieles mehr. Bei allem, was ich tat, war der Kern aber immer der Gleiche.
Worum ging es dir genau?
Das Bildmedium aufzuladen. Denn ihr Medium war ja abstrakt, meines figürlich. Es ging also um die Art und Weise, wie man auf Bilder schaut, wie man sie reflektiert – und darum, eine Schlüssigkeit zu finden, sodass alles, was man macht, Sinn ergibt. Katharina Grosse hat sehr viel gefragt, analysiert – und uns eben auf der Suche nach dem Eigenen begleitet. Es gab dort auch niemanden, der in ihre bildnerische Richtung gegangen wäre.
Was folgte?
Nach ihrem Weggang an die Hochschule Berlin-Weißensee hat dann Karin Kneffel in fester Anstellung die Klasse übernommen. Aber ich ging zunächst für ein Jahr nach Neuseeland, um dort zu studieren und mich – vor allem – ausschließlich auf die Malerei zu konzentrieren. Danach habe ich mich dann ganz bewusst für ihre Klasse entschieden.
Warum?
Ich habe immer eine sehr existenzialistische Sicht auf die Dinge gehabt. Mir ging es immer sehr stark um den Menschen. Fragen zum Sein, zur Körperlichkeit waren für mich wichtig, aber auch Beziehungen zu Mitmenschen und Tieren. Ebenso die Themen Nahrung und Raum – eben alles, was sich auf den Menschen konzentriert.
Aber ist in deinen Bildern nicht auch Missbrauch und Gewalt allgegenwärtig?
Als ich in Neuseeland war, habe ich sehr intuitiv gearbeitet. Und dort sind dann immer auch Figuren rausgekommen, die aufgelöst waren. Natürlich: Das hatte etwas Verstörendes. Ja: Gewalt wabert durch mein Werk. Und dazu gehört auch jede Form von Missbrauch.
Kannst du dir das erklären?
Es ist diese Kriegsenkelthematik der Deutschen. Ich selbst habe eine glückliche Kindheit gehabt. Und von persönlichen Erfahrungen mit Gewalt und Missbrauch bin ich immer verschont geblieben. Ich habe also keine Traumata. Ich denke da eher an die Bücher von Sabine Bode wie Die vergessene Generation, Kriegsenkel und Nachkriegskinder. Bode zeigt darin auf, wie Traumata über Generationen hinweg in einer Familie weitervererbt werden. Und ich denke, meine Bilder haben eher mit so etwas zu tun.
Mmh …
Es hat mich zum Beispiel mal ein Nick von den pazifischen Inseln kontaktiert, als ich in Neuseeland war. Er wollte ein Referat über mich und meine Arbeit machen. Er brachte das damals auf den Punkt, indem er sagte: „In the tradition of German Expressionists and war!“ Natürlich habe ich mich gefragt: Wie kommt der darauf? Aber meine Bilder könnten stilistisch tatsächlich eine „Neo Neue Sachlichkeit“ sein. Auch das Werk von Otto Dix oder George Grosz zeigt Dinge, die eigentlich nicht sichtbar sind. Worum geht es also? Darum, das Innere an der äußeren Erscheinung lesbar zu machen …