Künstler im Ukraine-Krieg

Menschen, die vom Krieg erzählen

Ukrainische Künstlerinnen und Kulturschaffende geben auf ihren Instagram-Accounts einen Einblick in die brutale Gegenwart des Krieges. Wir stellen fünf von ihnen vor

Von Simone Sondermann
07.03.2022

Natasha Chychasova

Es ist schon das zweite Mal, dass die junge Kuratorin Natasha Chychasova vom Krieg vertrieben wurde. Sie stammt ursprünglich aus Donezk. Als 2014 der Konflikt um die selbst ernannte „Volksrepublik“ Donbass begann, floh sie von dort nach Kiew, wo sie zuletzt am Museumskomplex Mystetskyj Arsenal arbeitete. Als die Bombardierung Kiews begann, machte sie sich in einem der überfüllten Evakuierungszüge auf den Weg nach Lwiw. In einem kleinen Ort in der Nähe der Stadt hat sie nun mit ihrem Freund und ihrem Hund Zuflucht gefunden. Die Ukraine verlassen möchte die 27-Jährige auf keinen Fall. Über ihren Instagram-Account hat sie in einem „Open Call“ ukrainische Künstlerinnen und Künstler aufgerufen, aktuelle Arbeiten einzusenden, die sie auf einer befreundeten Online-Plattform aus Weißrussland präsentieren wird. Zuletzt hat sie auf ihrem Account ein Werk der Malerin Katerina Lisovenko gepostet, das den verzweifelten Mut der Ukrainerinnen auf den Punkt bringt.

Katerina Lisovenko Kunst Ukraine Krieg
Kommentar zum Ukraine-Krieg: Katerina Lisovenko, ohne Titel, 2022 © Katerina Lisovenko

Volo Bevza

Am 20. Februar reiste der Berliner Maler in seine ukrainische Heimat, um eine Soloausstellung in der WT Foundation in Kiew zu eröffnen. Das Opening war für den 24. Februar geplant, dem Tag, an dem der Krieg ausbrach. Jetzt ist Volo Bevza in Lwiw und arbeitet freiwillig für den Heimatschutz. „Ich habe gar keine Erfahrung mit Waffen und Militär“, sagt er, „und daher hoffe ich, dass ich nicht in der ersten Reihe eingezogen werde.“ In den vergangenen Tagen hat er gemeinsam mit einer Gruppe Panzerabwehrigel geschweißt, die Künstlerin Victoria Pidust hat ihn und seine Kollegen dabei fotografiert. „Sieht aus wie ein Kunstwerk, ist aber keins“, schreib er lapidar in seiner Instagram-Story zu den Antipanzerbarrieren, die auch Werk Richard Serras sein könnten. In seinem Account ruft er zu Spenden für die Territorialverteidigung in Lwiw, Nikopol und Wyschnewe auf.

Künstler Volo Bevza Schweißen von Panzerigeln in Lwiw Ukraine
Schweißarbeiten von Panzerigeln in Lwiw, dokumentiert vom Künstler Volo Bevza. © Volo Bevza

Diana Berg

Im Jahr 2014 musste die Kulturaktivistin Diana Berg vor prorussischen Separatisten aus dem Donbass fliehen. Ihr Ziel war die nahe Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Dort baute sie in den folgenden Jahren das alternative Kulturzentrum Tju auf, eine lebendige Kunstszene entstand. Bei Ausbruch des Krieges in der vergangenen Woche war Diana Berg wild entschlossen, in Mariupol zu bleiben, veröffentlichte Berichte in verschiedenen Tageszeiten und tat alles, um ihr Lebenswerk zu verteidigen. Jeden Tag wurden die Bilder bedrückender, die sie aus der zerschossenen Stadt postete. Am 5. März gab sie auf und schaffte es wie durch ein Wunder, aus dem belagerten Mariupol herauszukommen. „Bei der Wahl zwischen zwei Selbstmorden haben wir uns für den schnelleren entschieden“, schrieb sie. „Und wir hatten das Riesenglück, durch zwei Linien russischen Militärs durchzukommen.“ Als Symbolbild postete sie eine Puppe der Künstlerin Lia Dostlieva, die so aussieht, als sei sie verschmort.

Instagram-Account Diana Berg Mariupol Ukraine
Der Instagram-Account der Kulturaktivistin Diana Berg, die in Mariupol das Kunstzentrum Tju leitet. © Diana Berg

Alisa Gots

Noch vor wenigen Wochen betrieb Alisa Gots gemeinsam mit ihren Kollegen Taras Kobliuk und Nina Savenko die einzige unabhängige künstlerische Lithografiewerkstatt in der Ukraine, Lithography30. Der Zugang zu ihrem Atelier in Kiew ist der 33-Jährigen seit Kriegsausbruch versperrt, doch sie arbeitet mit ihrem Laptop weiter und fängt die mörderische Realität des Krieges in intensiven Bildern ein, die sie täglich auf Instagram postet. Obwohl sich die Lage vor Ort immer weiter zuspitzt, hat sie sich entschieden, in der Hauptstadt zu bleiben. Ihre Mutter und ihre beiden Kinder, sieben und elf Jahre alt, haben die Stadt verlassen und in Polen Zuflucht gefunden.

Lithografie zum Ukraine-Krieg von Alisa Gots aus Kiew
Lithografie zum Ukraine-Krieg von Alisa Gots aus Kiew. © Alisa Gots

Nikita Kadan

Eigentlich wäre der 40-jährige Kiewer Künstler Nikita Kadan jetzt in einem Artist-in-Residence-Programm der Kunsthalle Krems und würde sich mit dem russischen Futuristen Welimir Chlebnikow beschäftigen. Doch Kadans Flug wurde bei Kriegsausbruch gestrichen, und jetzt verbringt er die meiste Zeit in einer zum Luftschutzbunker umfunktionierten Kiewer Galerie. Diese Woche übernimmt er den Instagram-Account der Nationalen Kunstgalerie Zacheta in Warschau und zeigt dort sowohl Kunstwerke der vergangenen Jahre als auch Bilder seiner Gegenwart in Kiew.

Instagram-Account des Künstlers Nikita Kadan aus Kiew Ukraine
Der Instagram-Account des Künstlers Nikita Kadan aus Kiew. © Nikita Kadan

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