Internationale Kulturgutschutzgesetze

Woher kommt die Kunst?

Heute reicht es nicht mehr aus, nur die eigenen Kulturgutgesetze zu kennen, wenn das persönliche Geschäfts- oder Sammelgebiet über die Grenzen des eigenen Landes hinausgeht

Von Zacharias Mawick
08.04.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 5/22

Sollen Kunstwerke oder Antiquitäten von bestimmtem Wert und Alter ein- oder ausgeführt werden, spielt zunehmend die legale Ausfuhr aus dem Ursprungsland eine Rolle – schlimmstenfalls aus allen potenziellen Ursprungsländern. Wenn man hier in Zukunft beim Zoll oder anderen Behörden keine bösen Überraschungen erleben möchte, sollte man sich rechtzeitig mit der Rechtslage auch in den individuell relevanten Herkunftsländern vertraut machen – eine Aufgabe, die viel Geduld und gute Sprachkenntnisse erfordert.

Zunächst ist es wichtig, sich zu verdeutlichen, dass das Herkunftsland das Land ist, in dem das Kunstwerk geschaffen wurde, nicht das Land, in dem sich das Kulturgut zuletzt befand. Bei einer Ming-Vase, die sich seit 500 Jahren in einer portugiesischen Sammlung befindet, ist dies China, nicht Portugal. Vor 500 Jahren gab es indes keine Ausfuhrbeschränkungen für chinesisches Kulturgut, sodass es in diesem Fall jedenfalls ausreichen würde, nachzuweisen, dass die Vase vor dem Inkrafttreten von Ausfuhrbeschränkungen exportiert wurde. Nun ist es im Fall China gar nicht so leicht, überhaupt eine klare gesetzliche Regelung zu finden, die die Ausfuhr von Kulturgut beschränkt. Es fehlt bis heute eine eindeutige und öffentlich einsehbare Regelung seitens des chinesischen Gesetzgebers. Die daraus resultierende Unbestimmtheit wurde bereits vor einem deutschen Gericht diskutiert. Dieses ließ die schlichte Behauptung eines Exportverbots im Rahmen einer rechtlich nicht näher belegten Verlautbarung der chinesischen Regierung jedenfalls nicht gelten, mit der Folge, dass eine Beschlagnahme seitens der deutschen Behörden durch das Gericht aufgehoben wurde (VG Karlsruhe, Urteil vom 24. 06. 2020 – 5 K 7747 / 18).

Man mag nun voreilig denken, dass man sich – dem Beispiel der 500 Jahre alten chinesischen Vase folgend – bei Objekten aus alten Sammlungen immer auf der sicheren Seite befände. Leider ist dies nicht der Fall. Als in den 1820er-Jahren als Nebenwirkung der napoleonischen Kriege in Lateinamerika nach und nach die spanischen Kolonien die Unabhängigkeit erklärten, wurde in einigen dieser Länder in weiser Vorausschau und angesichts katastrophaler historischer Erfahrungen bereits jegliche präkolumbische Kunst als nicht-handelbares Staatseigentum deklariert, als „res extra commercium“. In Peru wurde so etwa mit dem „Decreto Supremo N° 89 del 2 abril de 1822“ bereits früh ein Gesetz geschaffen, das die Ausfuhr archäologischer Objekte verbietet. Im Falle einer Beschlagnahme durch die deutschen Behörden hat man dann schlimmstenfalls – vor den Gerichten herrscht hier noch Uneinigkeit – zwei Möglichkeiten. Entweder man kann Ausfuhrpapiere beibringen oder nachweisen, dass die Ausfuhr vor dem 2. April 1822 erfolgte.

Kulturgutschutzgesetz Ming Vase Herkunft
Das Herkunftsland ist das Land, in dem das Kunstwerk geschaffen wurde, nicht das Land, in dem es sich zuletzt befand. Zu sehen hier ein Porzellangefäß des frühen 16. Jahrhunderts aus Jingdezhen im New Yorker Metropolitan Museum of Art. © Wikimedia Commons / Metropolitan Museum of Art

Klassische Herkunftsländer, zu denen neben vielen lateinamerikanischen Staaten beispielsweise auch Ägypten und südeuropäische Länder gehören, weisen häufig eine lange Tradition des Kulturgutschutzes auf. In Italien reichen die ersten regionalen Beschränkungen bis in das 15. Jahrhundert zurück. Die Gesetze des Italienischen Zentralstaats seit 1861 umfassten bei Weitem nicht nur archäologische Kulturgüter. Die ägyptischen Gesetze sind jüngeren Datums. Eine Ausfuhr sämtlicher Kulturgüter ist seit 1983 generell verboten. Der Staat verfolgt jedoch in der Praxis eine energische, rückwirkende Restitutionspolitik.

Den typischen Herkunftsländern lassen sich auf der anderen Seite der Handelskette die Zielstaaten gegenüberstellen. Häufig handelt es sich um Industrienationen, deren Fiskus und Bevölkerung genügend Mittel zur Verfügung standen oder stehen, um sowohl die Ergebnisse eigener Kunstproduktion im Land zu erhalten als auch fremdes Kulturgut hinzuzukaufen. Länder dieser Art sind beispielsweise Deutschland, in noch stärkerem Maße die Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch Japan oder Argentinien. Wenn überhaupt ist der Kulturgutschutz hier eine junge Entwicklung. Internationalen Abkommen zum Kulturgutschutz wurde erst spät beigetreten, etwa der maßgeblichen UNESCO-Konvention von 1970, und Generalklauseln, die bestimmte Objektkategorien generell als (eigenes) Kulturgut definieren, sind gegenüber dem vorherrschenden Listenprinzip selten.

Obwohl sich anhand dieser Einteilungen ein grob skizzierter Weltatlas des Kulturgutschutzes zeichnen lässt, liegt das Problem häufig im Detail. Ist die Ausfuhr von kolonialem Silber aus Uruguay erlaubt? Welcher Staat ist das Ursprungsland von antiken arabischen Münzen, die sowohl in der Golfregion als auch im Mittelmeerraum aufgrund ihres naturgemäß wanderfreudigen Charakters gefunden werden können? Gibt es ein Kulturgutschutzgesetz in Somalia und wie finde ich es? An jede dieser Fragen schließt sich eine aufwendige Recherche an, die sich nicht jeder erlauben kann. Wenn der deutsche oder europäische Gesetzgeber hier eine zuverlässige Hilfe an die Hand geben könnte, zum Beispiel anhand einer gut gepflegten und funktionierenden Datenbank, wäre bereits viel gewonnen. Bis dahin ist zu empfehlen, sich doch ab und zu zum Wohle der Due Diligence bei der Recherche auch in geografisch und historisch ferne Orte zu begeben. Man kann dabei zum Glück auch viel über die Geschichte und Kultur derjenigen Länder erfahren, aus denen die jeweiligen Kunstwerke stammen.

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