In diesem Herbst droht eine weltweite Wirtschaftskrise. Auf dem Kunstmarkt zeigen sich bei der hochgelobten NFT-Kunst erste Vertrauensverluste. Können diese bald den ganzen Kunstmarkt betreffen?
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18.08.2022
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Kunst und Auktionen 13/22
Der Kunstmarkt geht in die Sommerpause, während die globale Wirtschaft in eine Schieflage rutscht. Jüngst vermeldete der Internationale Währungsfonds, „dass die drei größten Volkswirtschaften der Welt nachweislich ins Stocken geraten sind und die Inflation höher ausfällt, als zuvor prognostiziert.“ Der wirtschaftliche Abschwung könnte demnach ein Ausmaß annehmen, wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Eine solche Rezession würde alle Märkte betreffen – also auch den der Kunst. Die Frage ist nur: Wie würde sich dort eine schrumpfende globale Wirtschaftsleistung konkret auswirken? Müssen wir gar mit einem Crash rechnen?
An sich ist die derzeitige Saure-Gurken-Zeit mit laufenden Kosten und wenig Umsätzen für den Kunsthandel nichts Neues – in der Regel wartet man einfach ab, bis der Urlaubssommer vorüber ist und sich das Geschäft ab September im Zuge wichtiger Kunstmessen wieder belebt. Aktuell aber zittern viele Akteure. Denn die in den Sommermonaten nicht zu erwirtschaftenden Umsätze müssen nach der Sommerpause definitiv reingeholt werden. Und es herrscht weithin die Sorge, dass angesichts der Ukraine-Krise und anderer Verwerfungen der globalen Wirtschaft gegen Jahresende die Luft ausgeht.
Um sich den Ernst der Lage vor Augen zu führen, lohnt es sich, den Devisen- und Finanzsektor in den Blick zu nehmen. Seit geraumer Zeit hat sich nämlich das Währungsverhältnis zwischen Euro und US-Dollar verändert – der Euro verliert im Devisenhandel rasant an Wert. Zu Jahresbeginn lag die europäische Gemeinschaftswährung noch bei knapp 1,13 US-Dollar, mittlerweile steht der Kurs bei etwa 1 : 1. Ein Wertverlust, der bereits jetzt unmittelbare Folgen fürs Geschäft hat. Denn das bedeutet beispielsweise, dass ein europäischer Käufer, der auf dem US-Auktionsmarkt einen „Basquiat“ für 10 Millionen Dollar erwirbt, nun rund eine Million Euro mehr dafür bezahlen muss als noch vor sechs Monaten. Das macht den Marktplatz USA für Europäer uninteressanter, auch bezogen auf Einlieferungen. Zudem ist der auf das Konsumklima drückende Pessimismus der USA derzeit mit Händen zu greifen. Die Inflation hat dort noch weiter zugenommen und ist mit rund 8,5 Prozent inzwischen fast so hoch wie zuletzt 1981. Erstmals lässt die US-Notenbank daher die Zinsen wieder steigen. Die Zeit des kostenlosen Geldes scheint damit vorbei zu sein – weltweit. Und damit auch die große Lust von Spekulanten, in Kunst zu investieren. Den Markt wird es natürlich nicht freuen, dass sich in absehbarer Zeit eine Kaufzurückhaltung breitmachen wird. Durch den jüngsten Zusammenbruch der Kryptowährungen gab es zudem bereits enorme Vertrauensverluste im Bereich der vielfach hochgelobten NFT-Kunst. Der Wert des Bitcoins hat sich mal eben halbiert und die Wall Street tut sich zunehmend schwerer, Kursverluste bei Anlegern wettzumachen. Angelegtes Geld in diesem Kunst-Sektor war also möglicherweise eine Investition ins Nirvana. Wer an den Aphorismus „Wenn die USA hustet, bekommt Europa die Grippe“ glaubt, dürfte also nicht allzu optimistisch in die Zukunft schauen.
Und nun? Die milliardenschweren Sammler, soviel steht fest, werden immer und zu jeder Zeit Kunst kaufen. Das wissen auch die Blockbuster-Galerien wie Hauser & Wirth, Gagosian und David Zwirner, die aktuell mehr denn je darauf achten, ihr High-End-Klientel bei Laune zu halten. Dieselben Sammler werden mit Geboten jenseits der 100 Millionen auch weiterhin das Auktionsgeschehen dominieren – also auch dort für den überwiegenden Teil der Umsätze sorgen. Große Galerien können also nur auf Expansion setzen, um ständig neue Klientel zu akquirieren – verbunden mit der Hoffnung, einmal einen neuen Supersammler an Land zu ziehen. Dementsprechend wird Thaddaeus Ropac beispielsweise bald in Schanghai eine weitere Dependance eröffnen, Sprüth Magers hat sich bereits vor Kurzem einen fünften Standort in New York gesichert. Der Mittelbau der Galerien hingegen muss sich schon jetzt wegen der Kostenspiralen in den Bereichen Transport und Heizung Sorgen machen. Bei den kleinen Galerien wird der bereits vor der Corona-Pandemie einsetzende Trend zur Markträumung zwangsläufig an Fahrt gewinnen. Und die Künstler werden weiterhin das schwächste Glied in der Kette und den Unwägbarkeiten des Handels weitgehend schutzlos ausgesetzt sein.
Kurzum, die Einschläge kommen näher. Gerade wenn die Spannungen zwischen China und Taiwan weiter eskalieren sollten, am Ende sogar ein militärischer Konflikt unter westlicher Beteiligung ins Haus stehen sollte, ist ein Crash des Kunstmarkts alles andere als ausgeschlossen. Aber dann haben wir ohnehin ganz andere Sorgen …