Tod von Queen Elizabeth II.

London Bridge is down

Am 8. September verstarb Queen Elizabeth II. im Alter von 96 Jahren auf ihrem Schloss Balmoral in Schottland. Ein Nachruf auf eine der weltweit größten Sammlerinnen

Von Sebastian C. Strenger
09.09.2022

Der seit Jahrzehnten feststehende Plan „London Bridge is down“ tritt nun in Kraft und versetzt nicht nur ganz Großbritannien in tiefe Trauer. Auch die gesamte Kunstwelt trauert über den Verlust einer aktiven und großen Förderin und Mäzenatin der Kunst in 70 Jahren Regentschaft. Die Royal Collection ist mit mehr als einer Million Objekte eine der größten und bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt und zugleich eine der letzten großen europäischen königlichen Sammlungen, die noch intakt ist. Damit ist sie eine einzigartige und wertvolle Aufzeichnung des persönlichen Geschmacks der Königinnen und Könige der vergangenen 500 Jahre.

Heute wird der geschätzte Wert der Sammlung mit mehr als 10 Milliarden Britischen Pfund angegeben. Dabei bildete die Sammlung von Charles I. durch den Ankauf der Sammlung der Familie Gonzaga aus Mantua – mit Werken von Antonio da Correggio, Annibale Carracci, Raffael, Leonardo da Vinci, Domenico Tintoretto, Tizian, Guido Reni, Andrea Mantegna und Orazio Gentileschi – den Grundstock. Es folgten Werke von Albrecht Dürer, Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck. Nach Hinrichtung von Charles I im Jahr 1649 wurde in der republikanischen Phase des Commonwealth of England die Sammlung zum größten Teil verkauft, konnte jedoch während der Phase der Stuart-Restauration zum Teil wiederbeschafft werden. Nachfolgende Regenten setzten für die Sammlung in Folge ihre persönlichen Schwerpunkte.

Leonardo da Vinci
Leonardo da Vincis „Kopf von Leda“ ist Teil des Royal Collection Trusts. © Her Majesty Queen Elizabeth II 2022

Heute ist die Kollektion in 15 königlichen Residenzen und ehemaligen Residenzen im Vereinigten Königreich untergebracht. Dazu gehören das Schloss Windsor, der Buckingham Palace, der Palace of Holyroodhouse, der Hampton Court Palace, der Tower of London, Osborne House und der Royal Pavilion in Brighton, wo die Kunstwerke der Öffentlichkeit an den historischen Orten gezeigt werden, für die sie ursprünglich in Auftrag gegeben oder erworben wurden.

Aus steuerrechtlichen Gründen befand sich die Sammlung schon lange nicht mehr im Privatbesitz der Queen, sondern wurde von ihr lediglich treuhänderisch für nachfolgende Generationen und die Nation verwaltet. Dabei lieferte ihr die Queen’s Gallery als öffentlich zugängliche Kunstgalerie des Buckingham Palace, welche nach immer weiter steigenden Besucherzahlen seit ihrer Gründung im Jahr 1962 um weitere Ausstellungsräume im Jahr 2002 zu ihrem goldenen Thronjubiläum erweitert wurde, die Bühne. 

Buckingham Palace
Die Bildergalerie im Buckingham Palace. © Royal Collection Trust / Her Majesty Queen Elizabeth II 2022

Zu diesem Jubiläum ließ sich Elizabeth II. auch von Lucian Freud malen. Bereits 1985 hatte der amerikanische Pop-Art-Künstler Andy Warhol mit seinem größten und ehrgeizigsten Portfolio von Siebdrucken unter dem Titel „Reigning Queens“ versucht, monumentale Bilder von jeder der vier regierenden Monarchinnen der damaligen Zeit zu schaffen. Im Fall von Königin Elizabeth II. basierten seine Drucke auf dem offiziellen Foto, das Peter Grugeon am 2. April 1975 auf Schloss Windsor aufgenommen hatte und das anlässlich des Silbernen Jubiläums 1977 veröffentlicht wurde. Erst 2012 wurde Warhols Queen-Porträt für die Royal Collection bei der Kunsthandlung Hazlitt, Gooden & Fox erworben.

Ausgestellt wurden diese Porträts und viele andere Kunstwerke aus der Königlichen Sammlung im Rotationsverfahren. Pro Ausstellungszyklus werden in der Regel etwa 450 Werke gezeigt – vor allem Gemälde und Zeichnungen, aber auch seltene Möbelstücke, dekorative Kunst oder Motive aus der umfangreichen Fotosammlung.

Zu Elizabeths Verdiensten zählt sicherlich, dass sich heute durch langfristige Leihgaben und ein Programm von Wanderausstellungen die Königliche Sammlung für Museen und Galerien im In- und Ausland geöffnet hat und erstmals ein zeitgenössischer dem historischen Block der Sammlung durch Ankäufe gegenübergestellt wurde.

Im September 2012 war Queen Elizabeth II. auf dem Cover der Weltkunst. © Cecil Beaton/Victoria and Albert Museum, London/V&A Images

In seiner Sitzung mit der Queen sprach Lucian Freund auch über seine Einstellung zum Tod. „Als ich jünger war, fand ich den Tod viel beängstigender – ich hatte mehr zu verlieren. Wenn ich jetzt alte Leute sehe, die langsam fahren, möchte ich sie anschreien. Sie sollten ein bisschen mehr leben, denn für sie ist es sowieso bald vorbei“. Die Queen lauschte still dem egozentrischen Künstler, der kein Honorar für seinen Auftrag nahm und von dem die britische Presse bei seinem Königinnenporträt anschließend von „Travestie“ sprach. 

Nun ist sie endgültig – die Stille. Am 8. September 2022 um 16.30 Uhr schlossen sich die Augen von Queen Elizabeth II. zum letzten Mal.

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