Das Badezimmer künstlerisch zu dekorieren ist hierzulande nicht üblich, dabei ist die Scheu vor Werken nahe der Nasszelle unbegründet. Unsere Stilkolumne „Alles nur Deko“ gibt Tipps für die Kunst im eigenen Heim. Folge 2: Für eine neue Bäderkultur
ShareIm Gegensatz zu uns Deutschen, die international als Nudisten bekannt sind, haben die Engländerinnen und Engländer den Ruf, zurückhaltender mit ihrer Nacktheit umzugehen, zumindest im öffentlichen Raum. Vielleicht sind es diese Förmlichkeit und zugewandte Diskretion, die dazu führen, dass englische Badezimmer oft wie Wohnzimmer eingerichtet sind. Oder geht es auf der Insel ganz im Gegenteil darum, endlich mal nackt auf dem Sofa zu sitzen? In dortigen Bädern finden sich ebenso Tischleuchten und Sessel, wie sich der Teppichboden von der Badewanne bis unters Klo zieht. Und warum auch nicht? Die dortigen Wollteppiche scheinen die Wasserspritzer länger zu überleben als die Fliesen und Fugen der Bäder hierzulande. (Wer Ruben Östlunds Film „Triangle of Sadness“ gesehen hat, kennt die ungeahnten Möglichkeiten der Teppichreinigung nach flächendeckender Seekrankheit auf einem Schiff.)
Wir Deutschen wiederum stecken liebend gerne viel Geld in das Thema „Bad neu/Küche neu“, haben jedoch eine Abneigung gegen das Dekorieren ebendieser Räume. Sehr wichtig scheint es hingegen, die Duschkabine durch eine lose im Raum stehende Glaswand zu ersetzen (wie gesagt, Nudisten) und jedes Utensil in einem „Push-To-Open“-Schrank zu verstecken. Dass sich der Ort rund um die Nasszelle wirklich einrichten lässt, auf die Idee kommt kaum jemand. Und doch lässt sich eine Entwicklung erkennen. Wurde sich in Bädern früher vorrangig der Hygiene gewidmet (Krankenhausambiente), so sollen sie heute, wenn möglich, auch eine Oase der Entspannung sein. Ein schickes Bad als Symbol für Lebensqualität. Und zu dieser gehört doch auch Kunst. Womit wir beim Thema wären: Kunst im Bad.
Natürlich sollte die empfindliche Papierarbeit nicht in der Dusche hängen und der van Gogh oder Monet nicht als Spritzschutz dienen – wobei Klimaaktivistinnen jüngst bewiesen haben, dass gut gerahmten Bildern weder Tomatensuppe noch Kartoffelbrei etwas anhaben können. Die meisten Kunstwerke sind also unempfindlicher, als man denkt. Das heißt, die Angst, Kunst in Bädern zu platzieren, ist unbegründet. Für manche Werke gibt es sogar keinen besser geeigneten Ort. Videokunst zum Beispiel. Von Natur aus bereits etwas komplizierter zu Hause zu präsentieren, ist ein Video mit Ton im Bad bestens aufgehoben. Denn das ist ein Zimmer, in dem man selbst und auch die Gäste eine ruhige Minute für sich haben und man dem Video seine ungestörte Aufmerksamkeit widmen kann. Im besten Fall werden sogar Geräusche übertönt, die einem peinlich sein könnten. Generell scheinen wir aus ebendiesem Grund, dem Moment des Innehaltens, uns besonders häufig an die Details in Bädern zu erinnern, in denen wir zu Gast waren. Das ist nicht zu unterschätzen!
Ein anderes praktisches Beispiel, das für das Bad als Ausstellungsort spricht: das ererbte Porträt eines unangenehmen Patriarchs. Über dem Kamin eher schwierig, gegenüber dem Klo auf jeden Fall spannender. Skulpturen, Vasen, Mobiles, Keramik- oder Kunststoffarbeiten sind nur ein paar Ideen für Kunst aus unempfindlichen Materialien, bei denen man nicht um die Langlebigkeit seiner Heiligtümer fürchten muss. Wem das alles zu schade fürs Bad ist, für den gibt es 3D-Drucker oder laminierte Autogrammkarten. Und hoffentlich die Erkenntnis, dass ein Bad und insbesondere die in Altbauten oft vorhandene Toilette perfekt für humorvolle und krasse Experimente geeignet sind. Den ganzen Tag in einem giftgrünen Büro auf einen Sessel mit Leopardenmuster gucken, über dem ein Jeff Koons hängt, könnte zu Konzentrationsschwierigkeiten führen. Befindet sich dieses Ensemble jedoch in dem Raum, in dem man die anderen Geschäfte erledigt, ist man schnell inspiriert und schnell wieder draußen. Es gibt also keine Zeit zu verlieren. Die Miniaturkatzen-Sammlung findet vielleicht endlich ein Zuhause, und wir, die Bewohnerinnen und Bewohner, unsere ganz eigene Bäderkultur.
Hier geht’s zur Folge 1 von „Alles nur Deko“
Stella von Senger ist Creative Director, Sebastian Hoffmann Galerist bei Ebensperger, Cecil von Renner ist Schauspieler. Gemeinsam betreiben sie den Stil- und Einrichtungsservice TADAN.