Château Royal

Die guten Geister von Berlin

Berlins Mitte trumpft mit einem neuen Hotspot für Kunst und Design auf: das Château Royal hat eine Bar, ein Restaurant und knapp hundert Zimmer, an deren Ausstattung ebenso viele Künstlerinnen und Künstler beteiligt sind

Von Lisa Zeitz
05.10.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 204

Wenige Meter vom Boulevard Unter den Linden entfernt, ein bisschen näher am Bahnhof Friedrichstraße als am Brandenburger Tor, hat nach jahrelangen Bauarbeiten ein neues Hotel eröffnet. Es ist spektakulär – und es verspricht dieser zentralen und doch noch seltsam ungemütlichen Gegend von Berlin neues Leben einzuhauchen. Der unbescheidene Name, „Château Royal“, verweist auf die kunstsinnigen Eigentümer, Moritz Estermann und Stephan Landwehr. In unterschiedlicher Besetzung leiten sie eine ganze Reihe angesagter Berliner Lokale wie die Szenerestaurants „Grill Royal“, „Petit Royal“, „Freundschaft“, „Kin Dee“ und, in allernächster Nähe zum neuen Hotel, das Traditionshaus „Einstein Unter den Linden“. Landwehr und Estermann sind zusammen mit der gefeierten isländischen Köchin Victoria Eliasdóttir, der jüngeren Schwester des Künstlers Ólafur Elíasson, die Eigentümer des neuen Hauses.

Alicja Kwade Selbstporträt als Geist
Das bronzene „Selbstporträt als Geist“ von Alicja Kwade spukt draußen vor der Tür. © Hannes Wiedemann

Architektonisch sind es sogar drei Häuser: Das Eckhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und das Nachbarhaus von 1910 sind denkmalgeschützt, daneben steht ein Neubau, den ebenso wie den Dachaufbau David Chipperfield entworfen hat. Oben auf der kleinen Kuppel des historistischen Erkers an der Straßenecke bewegt sich eine Wetterfahne im Wind, die der in Berlin lebende Franzose Cyprien Gaillard für diesen Ort geschaffen hat, und unten auf der Straße steht Alicja Kwades bronzenes „Selbstporträt als Geist“ wie eine surreale Galionsfigur. Damit sind schon zwei der hochkarätigen Kunstschaffenden genannt, die, wie viele der Beteiligten, einen internationalen Hintergrund haben – Kwade ist in Polen geboren – und doch in Berlin zu Hause sind. Rund hundert Künstlerinnen und Künstler hat Kirsten Landwehr, die Ex-Galeristin, Keramikerin und Frau von Stephan Landwehr, ausgesucht und sich dabei von Krist Gruijthuijsen, dem niederländischen Direktor des KW Institute of Contemporary Art, beraten lassen. Manches stammt aus der Sammlung Landwehr, anderes ist mit Produktionskostenzuschüssen neu entstanden und schmückt das Hotel als Leihgabe der Künstlerinnen und Künstler.

Das Straßenpflaster rund um Kwades Bronze ist noch sandig. Gerade erst sind die Baustellenzäune vom Gehweg entfernt worden. Wer eintritt – der Eingang zum Restaurant „Dóttir“ liegt auf der Mittelstraße, der Eingang zum Hotel an der anderen Seite, der Neustädtischen Kirchstraße – den empfangen wohlkomponierte Materialien und dunkle Farben, originelle Kombinationen, Bauhausstühle, Muranoleuchter, im Wintergarten französische Gartenmöbel in Kontrast zu einem Stuhl des Neuseeländers Simon Denny. Für das Interior Design ist die Berliner Architektin Irina Kromayer verantwortlich.

Simon Fujiwara Portrait of Who? (Whotto Dix Who) Chateau Royal
Simon Fujiwara malte die Otto-Dix-Variation „Portrait of Who? (Whotto Dix Who)“ an der Bar. © Hannes Wiedemann

Überall überrascht die Kunst, mal dezent, mal überwältigend – wie im Restaurant „Dóttir“ Klara Lidéns riesiger leuchtender Kanister, der von der Decke hängt. Einen ähnlich absurden Geist versprüht ihr schwedischer Landsmann Karl Holmqvist mit dem Neonschriftzug „Hurrah die Butter ist alle“ (unser Cover), der über dem langen Tisch vor der Küche prangt und eine antifaschistische Collage von John Heartfield aus dem Jahr 1935 zitiert. Die brenzlige Zeit um 1930 spielt überhaupt im Design wie in der Kunst eine Rolle: Die Eichenstühle des Restaurants sind die Neuauflage eines Modells des Bauhaus-Designers Erich Dieckmann, und eine Wand an der Hotelbar ist in Anlehnung an die Architektur der Twenties in grünem und rosafarbenem Gussglas gehalten.

Schon von außen ist eines der jüngsten Bilder von Simon Fujiwara zu sehen, das kürzlich in der Galerie Esther Schipper ausgestellt war. Der 1982 in London geborene Künstler hat in Anlehnung an Pu den Bären die Kunstfigur „Who the Bear“ erfunden: Seinen honigtriefenden, zwischen den Geschlechtern mäandernden Bären lässt er in verschiedene berühmte Werke schlüpfen. Hier an der Bar tritt „Who“ im androgynen Bildnis der jüdischen Journalistin Sylvia von Harden aus dem Jahr 1926 auf. Otto Dix hatte sie damals im „Romanischen Café“ gesehen, dem Treffpunkt Berliner Künstler und Literaten. Er sei ihr, so erzählte sie später, aus dem Lokal hinterhergerannt und habe gerufen „Ich muss Sie malen! Ich muss! Sie repräsentieren eine ganze Zeitepoche!“ Das Dix-Porträt der Journalistin hängt heute in Paris, aber wie sie raucht, wie sie die Finger abspreizt, wie sie da mit Kurzhaarschnitt im groß karierten Kleid die Beine übereinanderschlägt, das fühlt sich hier, am potenziell neuen Berliner Künstlertreff – durch Fujiwara mit einer Dose Red Bull in die Gegenwart transportiert –, genau richtig an.

Julian Goethe Shoot your Shot Chateau Royal
Julian Goethe gestaltete ein Zimmer mit „Shoot your Shot“. © Hannes Wiedemann

Jedes der 93 Hotelzimmer auf den fünf Stockwerken trägt eine andere Künstlerhandschrift, nur Thomas Demand hat zwei Zimmer bestückt – und dazu das dunkelbraune Kaminzimmer mit einer Tapete ausgestattet. Ana Prvački, die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt und kürzlich in Berlin ein interaktives Digitalprojekt im Lichthof des Gropius Baus vorgestellt hat, ließ sich von Dürers Kissenzeichnungen zu neuen Aquarellen inspirieren. Ihre Bilder von Kopfkissen, die nun gerahmt über einem Bett hängen, sollen „weich und beruhigend“ wirken, sagt sie. Andere Arbeiten waren weitaus diffiziler zu installieren. Einen schwarzen Granitfindling, der über Jahrtausende von Gletschern geformt wurde, hat der französisch-schweizerische Künstler Julian Charrière so in eine Mauer integriert, dass er in zwei getrennten Zimmern aus der Wand ragt. Auf beiden Seiten hat er ihn ausgehöhlt, um mit den entstandenen Mulden die Gäste zu motivieren, den Kopf hineinzustecken und zu summen. Durch die Resonanz sollen die Sinne geschärft und der ganze Körper in Vibration versetzt werden.

In einem der Zimmer gibt es über der Regendusche außerdem ein Stroboskop, sodass der simple Akt der Körperpflege in andere Sphären, irgendwo zwischen Clubnacht und Physikexperiment erhoben wird. So hält jedes Zimmer, ganz nach Stimmungslage, verschiedene Erlebnisse bereit. Die nächsten 93 Berlin-Besuche werden bestimmt nicht langweilig.

John Bock
„Welche Muffe“, der Vorhang von John Bock, ziert eine Family-Suite. © Hannes Wiedemann

Service

HOTEL

Château Royal,

Mittelstraße 41-44, 10117 Berlin,

chateauroyalberlin.com

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