Klimaktivistinnen von „Just Stop Oil“, die ein Gemälde von van Gogh mit Tomatensuppe bewarfen, sorgen für Diskussionen in der Kunstwelt. Hat dieser Protest einen Sinn?
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17.10.2022
Jerry Saltz hatte Schaum vorm Mund. Der berühmte Kunstkritiker des New York Magazine und Pulitzer-Preisträger empörte sich in einem Instagram-Post lautstark über die beiden jungen Frauen, die sich am vergangenen Freitag in der Londoner National Gallery an einem „Sonnenblumen“-Gemälde von van Gogh vergangen hatten. Ausgerechnet van Gogh! Die beiden hatten mit kraftvollem Schwung zwei Dosen Tomatensuppe – Ausgerechnet Campbells! Andy Warhol lässt grüßen – über das mit einem Glas geschützte Bild geschüttet und sich danach noch schnell mit den Händen an die Wand geklebt. So posierten sie aufgeregt, aber gekonnt vor dem verschmutzen Gemälde und riefen die Frage in den Raum: „Was ist mehr wert? Kunst oder Leben?“ Seitdem diskutiert die Kunstwelt in den Feuilletons und den sozialen Medien über die spektakuläre Aktion, die nicht die Erste ihrer Art ist. Schon mehrfach hatten sich in jüngster Zeit Vertreter:innen der radikalen Klimaschutzgruppe „Just Stop Oil“ an berühmte Werke in Museen geklebt. In einem ersten Aufwallen bezeichnete Jerry Saltz die beiden Frauen gar als „Taliban“, revidierte dies in einem späteren Posting aber zugunsten einer differenzierteren Betrachtungsweise. Der Digitalkünstler Beeple, dessen Auktionserfolg mit einer Collage seiner Instagram-Bilder im vergangenen den Hype um NFT ausgelöst hatte, reagierte prompt mit einem Spottbild der beiden Frauen. Unter seinem Post, der auf die Selbstdarstellung der Aktivistinnen zielt – ein zweifelsohne wichtiger Faktor der ganzen Aktion – steht ironisch „Problem solved!“. Die NFT-Technologie, die Beeple zu einem der teuersten Künstler der Gegenwart werden ließ, steht mittlerweile selbst in der Kritik der Klimaschützer aufgrund ihres hohen Energiebedarfs. Wie viele große Fragen steckt auch die, wie es die Kunstwelt mit dem Klimaschutz hält, voller Widersprüche.