Alles nur Deko

Seht mehr fern!

Flimmernde Monitore mit Soundeffekten sind für uns alle Medienalltag, doch als Kunstwerk in der Wohnung erscheinen sie den meisten abwegig. Warum eigentlich? Folge 3 unserer Stilkolumne „Alles nur Deko“: ein Plädoyer für Videokunst im eigenen Heim

Von STELLA VON SENGER, SEBASTIAN HOFFMANN & CECIL VON RENNER
09.11.2022

Schwierig, laut, groß und technisch, aufwändig, teuer, verkopft. Zusammengefasst: nervig. All das sind, man glaubt es kaum, die Vorteile der Videokunst. Sie garantiert in Ausstellungen oft die größte Spannung und die schönsten Widerstände. Zeit- und im besten Falle raumbasiert, sorgt sie bei Ausstellungsbesucherinnen und -besuchern für die durchschnittlich höchste Aufenthaltsdauer. Wer das Glück hatte, einmal „24 Hour Psycho“ von Douglas Gordon in seiner vollen räumlichen Ausdehnung auf 14 Metern zu sehen, weiß das. Spannung und Widerstand kommen einem in dieser Filminstallation unermesslich vor:„Ich muss weiter./Was passiert als nächstes!?/Nein. Der Film ist zu langsam./Aber in zwei Stunden kommt doch die Duschszene!“

Doch sind die Vorteile im Ausstellungskontext nicht schwere Nachteile im Privaten? Keinesfalls. Wer das glaubt, verbietet sich zu Hause auch das Aufhängen von Gemälden, weil das mit Blick auf Tiepolos 600-Quadratmeter-Deckenbild in der Würzburger Residenz einfach unmöglich erscheint.

Tatsächlich ist domestizierte Videokunst sehr dankbar, sie gibt einem so viel zurück. Da das Bewegtbild in Räumen, in denen man sich viel und lange aufhält, vielleicht zu aufdringlich ist, eignet es sich hervorragend für Flure (über den Türen!), in Bädern und Toiletten (endlich allein mit der Kunst!). Aber auch in Aufenthaltsräumen gibt es beste Stellen dafür. Das sind Nischen und Situationen, die man eigentlich nur beim Betreten oder Verlassen des Raumes sieht — nicht aber beim eigentlichen Verweilen im Raum. So viel zu den Schwierigkeiten und der Lautstärke, die an Transit-Orten nicht stört und in Wohnräumen auch einmal abgestellt werden kann. Außerdem gibt es hervorragende Werke, die ohnehin stumm sind.

Stella von Senger Videokunst Kolumne
Unsere Kolumnistin vor dem dekorativen Screen für daheim. © Catherine Peter

Die Größe und die technischen Aspekte darf man zumeist selbst bestimmen. Die einfachste Lösung ist der Bildschirm. Der ist ausgeschaltet ein schwarzes Loch, unterscheidet sich darin allerdings nicht vom Fernseher. Den gibt es ohnehin oft, und er kann zwischen dem „Morgenmagazin“ und den „Schönsten Bahnstrecken Europas“ genutzt werden für: Videokunst. Der häusliche Fernseher als Abspielgerät macht eine besonders gute Figur, wenn man viele Gäste zu Besuch hat. Dann entwickelt das in Endlosschleife gespielte Video ungeahnte Qualitäten als Kommunikationskatalysator. Sehr schön und viel lichtunempfindlicher als angenommen sind Projektionen. Sie lassen sich auf jede Größe anpassen und sind ausgeschaltet unsichtbar.

Kunst ist ja häufig kostspielig, aber gerade zeitbasierte Kunst von jungen Künstlern oder in größeren Editionen sind oft zu Einstiegspreisen zu finden. Und bitte, dass Videokunst verkopft ist, das dürfen wir ihr auch daheim nicht zum Nachteil gereichen. Je mehr Kopf, und im Video steckt viel, desto größer sind die Überraschungen und Bilder — bis zu 24 pro Sekunde!

Hier geht’s zu Folge 1 und Folge 2 von „Alles nur Deko“

 

Service

DIE KOLUMNISTEN

Stella von Senger ist Creative Director, Sebastian Hoffmann Galerist bei Ebensperger, Cecil von Renner ist Schauspieler. Gemeinsam betreiben sie den Stil- und Einrichtungsservice TADAN.

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