Stapel gelten als Zeichen für Unerledigtes, dabei sind sie die kleinste architektonische Einheit einer Einrichtung. Unsere Stilkolumne „Alles nur Deko“ gibt Tipps für die Kunst im eigenen Heim. Folge 5: Das Schönste nach oben
ShareDer Stapel an sich hat keinen guten Ruf. Von Amts wegen war und ist er ein Zeichen analoger Ineffizienz: Das Wichtigste liegt immer unten. Das Eiligste findet man nicht. Sortieren unmöglich. Und auffälligerweise ist der mächtigste Tisch auch der leerste: Im Oval Office des amerikanischen Präsidenten gibt es keine Zufälle und keine Stapel.
Was liegt, schläft, nur was steht, läuft. So lautet also die Devise im Büro, und doch gilt es als Habitat des Stapels. Hier stellt er zumeist den Versuch dar, dem Chaos der Arbeitstage Form, Gestalt und den Anschein von Ordnung zu verleihen. Das papierlose Büro soll auch ihm Einhalt gebieten — kein Papier, keine Stapel, keine Probleme. Und wenn dann wirklich alles effizienter und sortierter ist, hat man Zeit und Platz, noch einmal nachzudenken über: den Stapel.
Denn eigentlich sind Stapel eine tolle Sache. Das wird vor allem deutlich, wenn man sie als Teil der Einrichtung behandelt. Bücherstapel, gestapelte Kartonagen und Schachteln sind die kleinsten architektonischen Einheiten einer Einrichtung. Sie können überall gebaut werden und nehmen je nach Charakter der Architekten die Form babylonischer Türme mit Treppen und Windungen an oder die wohlgestaltete Schichtung eines Kanzlerbungalows. Ganze Siedlungen entstehen so. Es gibt Sofatische, die sind so weit und dabei so flach, dass sie Bücherstapel wirklich brauchen, um zu eigentlicher Größe zu finden. Sie werden so zu den schönsten, inspirierendsten Tischen mit den besten Gesprächsanlässen. Stapel auf solchen Tischen müssen nur in Bewegung bleiben, damit die Gesprächsthemen wechseln können (und damit man diesem ewigen süffisanten Verdacht vorbeugt, Coffee-Table-Books schaue man doch ohnehin nur von außen an). Die Bücherstapel werden so zu den Zeugen der Tage, an denen sie sich gebildet haben.
Jedenfalls ist der eigentliche „architektonische“ Trick an Stapeln, dass immer noch etwas obendrauf geht. Es ist immer noch Platz da und nicht nur für ein weiteres Buch, sondern auch für Objekte, kleine Skulpturen (oder große, kommt auf den Stapel an). Wem also der Sockel zu ernst ist oder zu viele davon nötig wären, der nehme die Kunstbände und Interior-Bücher (nach dem Lesen der Bildunterschriften) sowie Schachteln, die man am Heiligabend nach dem Geschenkeauspacken zuhauf zur Verfügung hat, und schichte sie zu den größten Assoziations-Hochebenen des Hauses, um all die alten und neuen Sammeleien zu platzieren.
Hier geht’s zur Folge vier, drei, zwei und eins von „Alles nur Deko“.
Stella von Senger ist Creative Director, Sebastian Hoffmann Galerist bei Ebensperger, Cecil von Renner ist Schauspieler. Gemeinsam betreiben sie den Stil- und Einrichtungsservice TADAN.