Bild des Tages

Adieu, Dorothy!

Die freie Liebe wurde bei ihr zum wuchernden Paradiesgarten der Malerei. Jetzt starb die amerikanische Künstlerin Dorothy Iannone mit 89 Jahren in ihrer Wahlheimat Berlin

Von Sebastian Preuss
29.12.2022

Sie war unglaublich glamourös, obgleich sie weder Starallüren hatte noch einem luxuriösen Lebensstil nachging. Es war ihre Persönlichkeit, sanft in der Stimme, immer elegant, auch wenn sie lange Jahre mit wenig Geld auskommen musste, dabei kompromisslos in der Propagierung einer befreiten Sexualität und ihrer Befindlichkeit dabei. Mit Dorothy Iannone, die jetzt mit 89 Jahren in Berlin starb, verliert die Kunstwelt eine ihrer tollsten Persönlichkeiten. Ein dogmatischer Feminismus war Iannones Sache nicht, aber in ihren figurenreichen Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken zelebrierte sie die Stärke der Frauen in einer freizügigen Weise, dass es immer wieder zu Skandalen und Zensurverboten kam.

In ihrer Bildwelt, stilistisch mit Elementen des Comic und der Flower-Power-Ästhetik angereichert, huldigte sie der weiblichen Sexualität, wobei sie ihre eigenen Erfahrungen in den Mittelpunkt stellt. 1967 zählte sie in einem Buch ihre Liebhaber auf, und auch ihre Bilder in dem charakteristischen Stil mit vielen Textelementen, wurden zum erotischen Tagebuch. Besonders intensiv sind die Darstellungen zum Liebes- und Beziehungsleben mit dem Künstler Dieter Roth, mit dem sie von 1967 bis 1974 zusammen war und den sie als ihre „männliche Muse“ verehrte.

Iannone, die 1933 in Boston geboren wurde, und 1976 durch ein DAAD-Stipendium nach West-Berlin kam, wo sie sich auf Dauer niederließ. Es gibt viele Elemente der Pop-Art in ihrer Kunst, einige Jahre bewegte sie sich auch im Umkreis von Fluxus, doch ist ihr Werk singulär und nirgendwo so recht einzuordnen. Nachdem es lange ruhig um sie wurde, erlebte sie seit den 2000er-Jahren eine neue Wertschätzung. Zu den Pionieren der Wiederentdeckung gehörten 2002 Gundula Schmitz und Oliver Koerner von Gustorf in der Berliner Galerie Laura Mars. Bald avancierte Iannone vom Geheimtipp zur Kultfigur, die mit ihren immer noch ungemein frischen, frechen und jugendlichen Bilder ebenso verzauberte wie mit ihrem Lächeln und ihrem eleganten Auftreten.

Im Kunsten Museum of Modern Art in Aalborg ist bis zum 5. März ihr Werk in einer Ausstellung zu erleben, die bereits im Louisiana Museum das dänische Publikum begeisterte. Neben Bildern und bemalten Videoboxen aus ihrer wilden Frühzeit ist auch die hier gezeigte Serigrafie „Die Königin der Amazonen und Achilles“ von 2007 zu bewundern.

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