Alles nur Deko

Ist doch kinderleicht!

Kunst und Kinderzimmer scheinen natürliche Feinde. Doch auch jenseits von Pastelltönen und Postern an der Wand ist hier viel Kreatives möglich. Unsere Stilkolumne gibt Tipps für die Kunst im eigenen Heim. Folge 8: Kritzeleien erwünscht.

Von STELLA VON SENGER, SEBASTIAN HOFFMANN & CECIL VON RENNER
01.02.2023

Wer sein Leben mit Kindern teilt, darf hier gleich sein berechtigtes Veto einlegen: gegen jede Ambition bei der Einrichtung und gegen eine Kolumne wie diese, die sich mit solch kinderfernen Orchideenaktivitäten befasst wie der Dekoration des Zuhauses oder gar der Kunst im eigenen Heim. Eltern sind bekanntlich ohnehin an der Spitze der Lebenskunst. Und dennoch gibt es Kinderzimmer, in denen man sieht, dass hinter oder unter all dem Chaos, das durch die kleinen Menschen verursacht wird (und das Jonathan Meeses Atelier an einem schlechten Tag zum Verwechseln ähnlich sieht), doch der Versuch einer Ordnung oder gar dekorativen Handschrift der Erziehungsberechtigten zu erkennen ist. Diesen unermüdlichen elterlichen Stehaufmännchen unserer Gesellschaft ist diese Folge gewidmet.

Lässt sich ein Kinderzimmer also einrichten? Natürlich. Entscheidungen werden getroffen, manche trifft man selbst, andere der Zufall. Die Ergebnisse ähneln sich sehr. Vielleicht sind es die zahllosen Eltern-Blogs oder das Delirium der Schlaflosigkeit, aber es gibt die elterliche Tendenz zu einem bestimmten Stil, der entweder den Kindern oder vielleicht auch den Erwachsenen vermitteln soll: Hier handelt es sich um ein Kinderzimmer und nichts anderes. Die Farben sind im besten Fall bunt, in modernen Zimmern aber auch (angepasst an Kinderkleidungstrends) erdig, Beige und Braun, durchmischt von Aschrosa und Senf. Die Formen der Möbel sind oft unverkennbar kinderfreundlich, deutlich mehr, als aus Sicherheitsgründen notwendig wäre. Künstlerisch genügt dann die Illustration eines Fuchses oder Eichhörnchens in Form eines Posters an der Wand. Hinzu kommen spezielle Kindertepppiche, und zwar nicht nur spielerisch begründbare wie die mit den Straßen drauf. Wollen die Kinder das? Schon klar, irgendwann haben sie Meinungen und wollen sich repräsentiert fühlen. Aber ob die kleinen Kinder sich in der Pastellwelt tatsächlich wohler fühlen als auf dem alten Perserteppich vor Omas Sofa, weiß man nicht. Oder gibt es schon etliche Studien, die wir hier aus eigenem Interesse ignorieren?

Kunst Kinderzimmer Alles nur Deko
Bunte Kunstkataloge sind als Gute-Nacht-Lektüre durchaus geeignet. © Catherine Peter

Es sei eines jeden Renovierungslust oder -wut überlassen. Vieles, was nach Kind aussieht, kann ja wunderschön sein. Aber Kinder werden älter, sie werden „viel zu schnell groß“, wie man so sagt. Wer also von vorn anfängt, mag doch bitte innehalten und sich fragen, ob es nicht auch anders, nachhaltiger geht, ob man nicht den Lebensentwurf des zwölfjährigen Kindes mitdenkem sollte. Das Spielzeug tut eh sein Übriges, Verwechslungsgefahr mit dem elterlichen Büro besteht nicht.

Kunst im Kinderzimmer bringt hingegen ganz neue Herausforderungen mit sich. Zuallererst ist sie natürlich oft empfindlicher als ein Möbel oder ein Gebrauchsgegenstand. Wer Kinder hat, weiß aber auch, dass sich das manchmal etwas grobe Toben der Kleinen nicht immer aufs Spielzimmer beschränkt. Wer also Kunst in egal welchem Zimmer bei sich zu Hause platziert, kann sie genauso gut gleich in das der Kinder stellen oder hängen. Wie hart man sich da am Limit bewegen will, muss die Versicherung entscheiden. Bei sehr kleinen Kindern gibt es für manche Werke, genauso wie für bestimmte Möbel, einfach keinen guten Platz. Oder eben nur einen sehr hohen — wir hatten bereits hier darauf hingewiesen.

Es eignen sich viele Kleinigkeiten als dekorative Kunst: der gerahmte Gruß des Patenonkels auf dem Briefpapier des Ibis Hotels Mallorca zum Beispiel. Oder kleine Fotos der verstorbenen Vorfahren und Haustiere, die mangels Konzertflügel keinen Platz in der Wohnung haben, wo sie aufgereiht stehen könnten. Aber trauen wir unseren Kindern ruhig etwas zu: Drucke und Plakate von Pierre Le-Tan statt Peppa Wutz, Matisse statt SpongeBob Schwammkopf, Marisol statt Sailor Moon. Und wer schon ältere Kinder hat (soll heißen, Laufalter mit eigener Meinung) und etwas Kunst zu Hause, sollte das Kind aussuchen lassen. Welches Bild möchtest Du gerne in Deinem Zimmer haben? — Von der früh eingeleiteten Identifikation mit Kunst wird man noch viel haben und von den Gesprächen darüber auch. Es geht doch beim Einrichten mit Kunst immer auch um Geschichten, Kinder lieben Geschichten, und mit selbst ausgesuchten Bildern im eigenen Zimmer können sie früh ihre eigenen erzählen. À propos: Wer den Erzählelan vom Vorlesen und Erzählen aus Kinderbilderbüchern für das Beschreiben von Fotos aus Ausstellungskatalogen aufwendet, erschafft kein Ungeheuer, sondern eine ungeheure Win-Win-Situation. Unvergessen ist, als einer von uns für sein Patenkind ein Künstlerbuch von Gilbert & George signieren ließ: „How old is your godson?“ — „He is five years old.“ — „Oh, brilliant, that means he will love our pictures. They’re very colourful!“ Die verfänglichen Titel, nun, die kann man ja dann später erklären.

Beate Heuman Kinderzimmer
Mutter, wann gehen wir in Bemelmans Bar? Beata Heumans Kinderzimmer in London. © Simon Brown/Domino

Jedenfalls ist viel zu sehen zu haben immer gut. Man kann eine ganze Wand den endlosen abstrakten Kritzeleien der Bewohnerinnen und Bewohner des Zimmers widmen, die nach und nach aktualisiert oder durch passende Werke aus der Elternsammlung ergänzt werden. Oft sind diese Frühwerke sogar spannender als die eben erwähnten Illustrationen, die es zu kaufen gibt, sie sollten am besten konsequent bis an die Decke in Petersburger Hängung arrangiert werden. Wenn schon, denn schon. In Kinderzimmern sind auch die Wände selbst als Bildträger interessant. Die Inneneinrichterin Beata Heuman hat das für ihre Kinder so gelöst, dass sie Hasenleute elegante und spaßige Erwachsenendinge an die Zimmerwände malen ließ. Vorbild waren Ludwig Bemelmans Fresken für die nach ihm benannte und schönste Bar der Welt im Carlyle Hotel in New York. Man stelle sich den ersten Besuch der (dann bestimmt schon) volljährigen Kinder in dem Etablissement vor. Aristoteles Onassis konnte Bemelmans übrigens noch selbst für die Ausgestaltung des Kinderspielzimmers seiner Yacht Christina O. beauftragen.

Oder man lässt die Kinder einfach gleich selbst ein Fresko malen, früher oder später passiert es eh. Künstler eben.

Service

UNSERE KOLUMNISTEN

Stella von Senger ist Creative Director, Sebastian Hoffmann Galerist bei Ebensperger, Cecil von Renner ist Schauspieler. Gemeinsam betreiben sie den Stil- und Einrichtungsservice TADAN.

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