Bild des Tages

Bewegte Farbtupfer

In ihrem jüngst auf der Berlinale präsentierten Film „Dearest Fiona“ illustriert die indonesische Künstlerin Fiona Tan persönliche Briefe ihres Vaters aus den Achtzigerjahren mit dokumentarischen Aufnahmen aus der Sammlung des Amsterdamer Filmmuseums. Ein Gespräch über holländische Malerei, die ungewöhnliche Kombination aus Bild und Ton und den Unterschied von Kino und Kunstwelt

Von Catherine Peter
06.03.2023

Erinnerten Sie die verwendeten Archiv-Aufnahmen auch an holländische Malerei?

Ja, auf jeden Fall. Wenn ich Bilder sehe, stelle ich fast automatisch Verbindungen zu anderen her. Bestimmt war ich angezogen von Bildern, die mich an Kunstwerke erinnern. Vor ein paar Tagen erst war ich in der Vermeer Ausstellung hier im Rijksmuseum, „Ansicht von Delft“ hat mich an einige Szenen aus dem Film erinnert. Im Film gibt aber auch andere Bilder, besonders die von den Menschen bei der Arbeit, wie ich sie aus der Malerei noch nicht kannte.

Können Sie sagen, was Sie an diesen Bildern so anzog?

Ich arbeite nicht nur, aber oft mit Archivmaterial. Als ich diese Aufnahmen sah, war ich überwältigt, wie schön sie sind. Besonders berührt hat mich die Handkolorierung. Diese Filme stammen ja alle aus der Frühgeschichte des Films zwischen 1895 bis 1920. Jedes Einzelbild musste bemalt werden. Das wurde damals sehr viel gemacht und es war ein wahnsinniger Aufwand. Beim Abspielen der Bilder bewegen sich diese Farbtupfer, es ist wie eine zweite Schicht. Es wirkt dadurch wie eine Vision, fast wie eine Fata Morgana. Weil es so offensichtlich ist, wie es gemacht wurde, ist es auch sehr naiv und charmant.

Eine andere Ebene des Films ist der Ton, den Sie auf sehr interessante Weise einsetzen. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Ja, das war ein sehr wichtiger Teil des Projektes. Es gab ja keinen Ton! Ich arbeite bei all meinen Projekten mit dem Sound Designer Hugo Dijkstal zusammen. Der Ton, den wir für den Film geschaffen haben, ist kein realistischer Ton, sondern eher eine Tonlandschaft. Das Gesehene kann man mit dem Ton stark beeinflussen. Wir haben so gearbeitet, dass wir erst für jede Sequenz eine vollständige Atmosphäre gebaut haben, mit allen vorstellbaren Geräuschen, dann aber dieses Material reduziert haben. In einer Aufnahme mit Kind, Wasser und Windmühlen zum Beispiel hört man nur die Windmühlen. Es ist ein Weg, dem Film eine Orientierung zu geben. Der Ton ist wirklich unterbewertet, er beeinflusst unsere Wahrnehmung sehr stark.

Dieselbe Arbeit wurde unter dem Titel „Footprints“ in Ausstellungen gezeigt. Was für einen Unterschied macht es für Sie, ob Ihre Arbeit im Kino oder in einem Museum zu sehen ist?

Das ist etwas, was ich immer noch versuche herauszufinden. Für beides spricht etwas. Die Kunstwelt ist meine eigentliche Heimat, hier habe ich am meisten gemacht und hier habe ich auch mehr Kontrolle über die Situation. Im Kino habe ich gefühlt weniger Einfluss, zum Beispiel auf die Lautstärke, die ich oft als zu hoch empfinde. Im Kino haben die Zuschauerinnen und Zuschauer auch andere Erwartungen – und eine genauere Vorstellung davon, was ein Film einem geben soll. Mit „Dearest Fiona“ wollte ich das Kino als Aufführungsort auch ein wenig reizen.

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