Academy Awards

Vier Oscars für „Im Westen nichts Neues“

Das Ensemble von „Im Westen nichts Neues“ erwischt einen guten Oscar-Abend – und geht am Ende mit vier Trophäen nach Hause. Der Science-Fiction-Husarenritt „Everything Everywhere All at Once“ überstrahlt aber alles

Von Weltkunst News
13.03.2023

Gleich vier Oscars für das Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ und ein Science-Fiction-Epos, das fast alle wichtigen Sparten bei der diesjährigen Verleihung der wichtigsten Filmpreise der Welt dominiert: Die 95. Ausgabe der Academy Awards hat neben einem gelungenen Abend für den deutschen Film bewegende Momente für die Geschichtsbücher bereitgehalten. „Im Westen Nichts Neues“ gewann am Sonntag in Los Angeles in den Sparten „Bester internationaler Film“, „beste Kamera“, „bestes Produktionsdesign“ und „beste Filmmusik“. Mit neun Nominierungen war die Netflix-Produktion in den Galaabend gestartet – darunter in der Königskategorie „Bester Film“.

Für den ganz großen Wurf reichte es am Ende für „Im Westen nichts Neues“ nicht. Mit der Trophäe für den besten Film ging die Crew von „Everything Everywhere All at Once“ nach Hause. Das Filmemacher-Duo hinter der exzentrischen Tragikomödie mit einer gehörigen Portion Action und Science-Fiction, Daniel Kwan und Daniel Scheinert, bekam den Oscar für die beste Regie. Beste Hauptdarstellerin wurde Michelle Yeoh, die in „Everything Everywhere All at Once“ Evelyn Quan Wang spielt, eine gestresste chinesischstämmige Waschsalon-Betreiberin, die sich in irrwitzigem Tempo durch Multiuniversen kämpft und sich dabei ihren inneren Sehnsüchten und Traumata stellt.

Yeoh ist die erste Schauspielerin mit asiatischen Wurzeln, die den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle erhalten hat. „Für all die kleinen Jungen und Mädchen, die aussehen wie ich und heute Abend zuschauen – dies ist ein Hoffnungsschimmer und eine Chance“, sagte die 60-Jährige in ihrer Dankesrede. Das sei der Beweis, dass Träume durchaus wahr würden. „Und an die Damen: Lasst euch von niemandem einreden, dass ihr das Beste schon hinter euch habt.“ In Yeohs Heimat Malaysia löste ihr Triumph Jubel aus, an einer Oscar-Party in Kuala Lumpur nahm auch ihre Mutter Janet teil, die von ihrer Tochter in ihrer Dankesrede im fernen Los Angeles ebenfalls gewürdigt wurde.

Für Emotionen sorgte auch der Auftritt von Ke Huy Quen, der für seine Rolle als Evelyns Mann in „Everything Everywhere All at Once“ den Oscar für die beste männliche Nebenrolle bekam. „Meine Reise begann auf einem Boot. Ich verbrachte ein Jahr in einem Flüchtlingslager und bin irgendwie auf Hollywoods größter Bühne gelandet“, sagte Quan. „Sie sagen, dass Geschichten wie diese nur in den Filmen passieren. Ich kann nicht fassen, dass mir das passiert ist. Dies ist der amerikanische Traum.“

Hollywood-Veteranin Jamie Lee Curtis wurde für ihre Darbietung einer äußerst wandelbaren Finanzbeamtin in „Everything Everywhere All at Once“ zur besten Nebendarstellerin gekürt. Selbst Brendan Fraser verwies in seiner Danksagung für seinen Oscar für die beste männliche Hauptrolle auf den Triumph des Science-Fiction-Epos um eine Familie mit chinesischen Wurzeln. „So sieht also ein Multiversum aus“, sagte der sichtlich bewegte Fraser, der für seine Rolle als übergewichtiger und seelisch kranker Englischlehrer in „The Whale“ geehrt wurde.

Der Wolfsburger Regisseur Edward Berger würdigte in seiner Dankesrede für den Auslands-Oscar für „Im Westen nichts Neues“ vor allem seinen österreichischen Hauptdarsteller Felix Kammerer. „Das war dein erster Film und du trugst uns auf deinen Schultern, als ob es nichts war“, sagte Berger auf der Bühne des Dolby Theatre an Kammerer gerichtet. „Ohne dich wäre keiner von uns hier.“

„Im Westen nichts Neues“ beruht auf dem gleichnamigen Klassiker von Erich Maria Remarque aus dem Jahre 1929. Der Film spielt im Ersten Weltkrieg und handelt von dem Schicksal des von Kammerer gespielten deutschen Jugendlichen Paul Bäumer, der sich gemeinsam mit Freunden freiwillig zum Kriegsdienst meldet. Doch die brutalen Realitäten des Krieges zertrümmern Bäumers Hoffnung auf Heldenruhm, letztlich geht es für ihn und seine Kameraden nur ums nackte Überleben.

Premiere feierte „Im Westen nichts Neues“ im vergangenen Jahr, als Russlands Angriffstruppen in die Ukraine einfielen und damit den größten militärischen Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg entfesselten. Die realen Ereignisse haben dem Antikriegs-Drama also eine ungeahnte Relevanz verliehen.

Erst kürzlich hatte „Im Westen nichts Neues“ sieben Bafta-Preise in London gewonnen, darunter für den besten Film. Das Antikriegs-Drama liegt in einer US-Fassung von 1930 mit Lew Ayres in der Hauptrolle vor – „All Quiet on the Western Front“ (Originaltitel) holte damals die Oscars für den besten Film und die beste Regie. Später wurde aus Remarques Stoff ein mit einem Emmy und einem Golden Globe ausgezeichneter Fernsehfilm mit Richard Thomas und Ernest Borgnine in den Hauptrollen.

In der Kategorie „Bester internationaler Film“ ließ „Im Westen nichts Neues“ am Sonntag „Argentina, 1985“, „Close“ aus Belgien, „EO“ aus Polen und „The Quiet Girl“ aus Irland hinter sich. Der Oscar für „Im Westen Nichts Neues“ für die beste Kamera ging an den britischen Kameramann James Friend, jener für die beste Filmmusik an den Komponisten Volker Bertelsmann. Die Trophäe für das beste Produktionsdesign bekamen Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper. (dpa)

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