Kochen ist der Kunst verwandt, das Essen schon immer ein beliebtes Sujet. Doch kann man seine Kunstsammlung schadlos in die Küche hängen? Folge 12 unserer Stilkolumne sagt: Es kommt darauf an.
Share„Kunst in der Küche: der ultimative Kochbegleiter“ ist die Überschrift, die der ChatGPT vorschlägt, wenn man den K.-I.-Chatbot um einen „humorvoll geschriebenen Artikel über das Platzieren von Kunst in der Küche“ bittet. Gar nicht so schlecht. Da kann man schon „auf den Geschmack kommen“, um es mit ChatGPTs Worten auszudrücken. Weiter räsonniert die maschinelle Textkonkurrenz dann über klassische Stilllebenmalerei von Obst oder Blumen, „um Ihrer Küche eine Note von Raffinesse zu verleihen“ und über die „berühmten Campbell Tomatensuppen des verrückten Pop-Art-Künstlers Andy Warhol. Wer sagt denn, dass Kochen langweilig sein muss, die Möglichkeiten sind einfach endlos!“.
Wie groß die Möglichkeiten tatsächlich sind, wissen diejenigen, die schon einmal in kommerziellen Küchen ihre Runden machen durften. Dort findet man von Serviettenkunst berühmter Gäste bis hin zum „Carponizer“, dem erotischen Karpfenkalender, einen „wilden Cocktail“ (Eigenkreation ohne Chatbot-Hilfe) an künstlerischen Werken. Oft läuft dort bei Hochbetrieb Techno-Musik, die in Verbindung mit dem Geschrei, den Flammen und dem Schweiß den Eindruck einer aktionistischen Performance entstehen lässt — ganz zu schweigen von der eigentlichen Tätigkeit der Arbeitenden, die sich ja auch „Kochkunst“ (© ChatGPT) nennt.
Kochen und Speisen sind der Kunst jedenfalls sehr nah, darüber waren und sind sich viele Vertreter beider Branchen lange einig. Seit Jahrtausenden dient Essen als Gegenstand der Kunst. Unzählige Künstlerinnen und Künstler haben das Essen, die Küche und alles, was damit verbunden ist, in ihre Arbeit integriert. Daniel Spoerri erklärte Mahlzeiten zu Kunst und hängte gedeckte Tische an die Wand. Die Köchin Laila Gohar definiert in New York immer wieder neu Essen als Kunstwerk. Judy Chicago schuf mit „The Dinner Party“ ein gigantisches Monument feministischer Kunst.
Zu Hause hat man andere Möglichkeiten, Kunst in der Küche zu inszenieren, als in der Großküche. Die Angst, die Kunst könnte zu Schaden kommen, bleibt natürlich. Dabei wiederholen wir hier gerne, was wir schon in der Folge über Kunst im Bad besprochen haben: Fürchtet euch nicht, Optionen gibt es genug! Natürlich legt sich auf alles, was nicht regelmäßig gewischt wird, ein Fettfilm. Ihn kennt, wer alle paar Jahre auf die Idee kommt, auf den Oberschränken zu putzen. Doch es muss ja nicht die unverglaste Seidenmalerei sein, die in der Küche ihren Platz findet. Aber es darf, ja sollte mehr sein als ein Gläserset von James Rizzi.
Zum Beispiel eignen sich hier einmal wieder Poster und Plakate gut. Und Kalender natürlich. Da gibt es vom oben genannten Karpfenkalender bis hin zum „Calendario Romano“, der jedes Jahr die heißesten Priester Roms vorstellt, wirklich alles. Man kann auch Grüße aus dem Ausland ausstellen (Grüße aus der Küche funktionieren nicht, denn da befindet man sich ja schon). Vielleicht inspiriert man seine Liebsten zu einem gesunden Wettbewerb des Postkartenschreibens oder -bastelns. Magneten sehen gut aus, wenn man wirklich viele hat und am besten ein Thema (Museumsmagneten, die größten Wasserfälle, Obst und Gemüse …). Oder man rahmt die schönsten Speisekarten, die nicht unbedingt aus den schönsten Restaurants stammen. Sie sind meist gerade dann interessant, wenn sie auf einfachem Papier gedruckt sind, manche wurden von berühmten Künstlern gezeichnet, oder sie sind gerade deshalb so reizend, weil eben keine künstlerische Absicht dahintersteckt. Für Inspiration, was denn heute zu kochen wäre, ist so auch gesorgt. Oder man schaut ins Kochbuch von Dalí: „Die Diners mit Gala“ („Mit sechs wollte ich Köchin werden, mit sieben Napoleon“, schreibt der Surrealist.)
Die Küche ist auch ein hervorragender Ort für Neonkunst, fühlt man sich so doch gleich wie in einer italienischen Bar aus den Achtzigern. Keramikreliefs und Fliesen wiederum sind ein Medium, das sogar als Spritzschutz dient, und sie können von den Werken der eigenen Kinder bis hin zu den Arbeiten von Fernand Léger alle Preissegmente bedienen. Abwaschbar sind sie alle (sowohl die Fliesen als auch die Kinder). Auch Picassos Teller sind natürlich aus Keramik. Besitzt man keinen solchen, reicht ein Teller mit dem Gesicht der Queen oder dem von Elvis, und man wird mit ein paar Essensresten ganz schnell selbst kunstschaffend.
Wer nicht selbst kocht, aber auf das Flair der Essenzubereitung im Hause nicht verzichten möchte, kann sich dann bei Cosima von Bonins Nudelholz, Gerd Rohlings Herdklappen oder eben Andy Warhols Campbell’s-Suppen bedienen. In die Küche hängen wir lieber Warhols „Oxidation Paintings“. Wir nennen es Humor.