Alles nur Deko

Voller Geschmack

Bei Andy Warhol wurde der Supermarkt ein Kunstwerk, in Zeiten des Onlinehandels sind die Einkaufstempel fast schon eine Erinnerung. Unsere Stilkolumne widmet sich der Kunst daheim und im Alltag. Folge 13: die schönsten Supermärkte von New York bis Berlin-Charlottenburg

Von STELLA VON SENGER, SEBASTIAN HOFFMANN & CECIL VON RENNER
13.04.2023

Dass wir heute Ladenregale mit all ihrer Produktmonotonie als schöne Bilder wahrnehmen können, daran ist wie so oft vor allem Andy Warhol schuld. Und vielleicht hätte es auch Warhol nicht ohne Supermärkte gegeben. Jedenfalls können wir für unsere eigenen Regale, Konsolen und Tischchen zu Hause lernen: Egal was man herumstehen hat, viel davon oder zumindest mehr als eins sieht immer besser aus. Im Folgenden stellen wir unsere zehn Lieblingslebensmittelgeschäfte vor, um keine Objektivität bemüht und in unbestimmter Reihenfolge. Es zählt allein das Angebot.

Zufälliges am Zoo

Nichts für schwache Nerven, aber immer da, wenn man ihn braucht; stets einen Ausweg bietend (nämlich einen in der Hardenberg- und den anderen in der Kantstraße): Das ist Hit Ulrich am Bahnhof Zoo in Berlin. Es gibt noch eine weitere Filiale an der Wilhelmstraße, in der Angela Merkel eingekauft hat, aber kein Berliner Supermarktinterieur ist so organisch gewachsen wie das am Zoo. Und kein Mitarbeiter in Berlins Supermarkt-Business kennt sich besser mit Weinen aus als Herr Mais. Sich der eigenen Originalität bewusst (oder sie Berlinerisch egal findend), gestattete Hit Ulrich der Künstlerin Lisa Röing Baer vor zwei Jahren, dort mit ihrem Projekt „Bills & Oils“ auszustellen.

Lisa Röing Baer Supermarkt Kunst
Hit Ullrich am Zoo in der Kantstraße in Berlin, mit Fotos von Lisa Röing Baer. © Lisa Röing Baer, 2021

Das Imperium isst mit

„In der gewölbeüberdeckten Säulenhalle unter der Rampe der Queensboro Bridge, die Manhattan mit Queens verbindet, wurde die ehemals offene Markhalle neu als Gourmet-Halle konzipiert. Dabei wurde ein neues Zwischengeschoss, das Mezzanin, in den denkmalgeschützten Raum integriert.“ So beschreiben die Atelier M Architekten ihr einzigartiges Projekt, das aus dem Ehrgeiz der Food-Emporium-Kette erwuchs. Der Ehrgeiz ist inzwischen verhallt, und nach einem Rückbau hat in dem Gewölbe ein recht gewöhnlicher Trader Joe’s eröffnet. Rafael Gustavinos Flachziegelarchitektur von 1909 ist geblieben.

Food Imperium New York Supermarkt
Majestätischer Genuss: The Food Emporium Bridgemarket in der 59. Straße in New York. © Nikolas Koenig/Atelier M Architekten

Gediegenes Nebeneinander

Bei Fortnum & Mason in London werden seit 316 Jahren Farne und Porzellan, Früchte und Flechtwaren, Tee und Orchideen gleichberechtigt nebeneinander verkauft. Wie in allen englischen Exzellenzeinrichtungen spielt der Teppich hier eine wichtige Rolle. Fortnum & Mason ist eigentlich das einzige Lebensmittelgeschäft, in dem man „leben“ möchte. Nur „mittellos“ sollte man nicht sein.

Fortnum & Mason Supermarkt Design
Nicht ohne roten Teppich: Fortnum & Mason, 181 Piccadilly, St. James's, London. © Andrew Dunn / Wikimedia Commons

Der Food-Tempel

Eigentlich alles wie immer in Italien: großer Raum, doppelte Geschosshöhe, Symmetrie, zentrierter Altar. Dort, am Altar, befinden sich in dieser italienischen Spar-Filiale („Despar“) in Venedig die Wurst- und Fleischwaren. Das Gebäude wurde 1916 als Theater gebaut, war dann ein Kino und blieb bis 2016 lange Zeit ungenutzt, wobei alle Wandmalereien und Décors bis heute erhalten sind.

Despar Teatro Italia Venedig Supermarkt
Despar Teatro Italia, Campiello de l'Anconeta, Venedig. © Enrico Maria Vernì/Linea Light Group

Was heißt Leberwurst auf Füchsisch?

Wir wissen nicht, wie dieser Supermarkt heißt. Das schlichte Einkaufscenter in Wes Andersons Film „Der fantastische Mr. Fox“ ist allerdings bis auf ein paar Zierleisten und Farbspielchen architektonisch und in der Ausgestaltung nichts wirklich Besonderes. Was hier zählt, ist das, was ein weiser Stammgast des Berliner KaDeWe im Deutschlandfunk zu Protokoll gab: „Die Wände sind unwichtig. Die Menschen sind wichtig.“ Also die Füchse*innen. Und ein Opossum.

Wes Anderson Mr Fox Supermarkt
Supermarkt im Film: Ms. Fox, Kylie, Ash, Agnes, Kristofferson aus Wes Andersons „Der fantastische Mr. Fox“. © 20th Century Studios

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