Am heutigen Tag des Baums erinnert das Werk des kolumbianischen Künstlers Abel Rodríguez an das Wissen des Waldes
ShareDie Idylle trügt. Eindrucksvoll ragen die mächtigen Stämme der Bäume in die Höhe, das Laub ist üppig und frisch, die Tiere am Boden sind perfekt in ihrer Umgebung verborgen. Das Bild wirkt, als stünde der Maler mitten im Regenwald. Doch bleibt nur eine Erinnerung. Zwar gibt es ihn noch, den Wald im kolumbianischen Amazonasgebiet, doch er ist akut bedroht. Und mit ihm die Menschen, die diesen Teil der Welt seit Jahrhunderten bewohnen. Einer von ihnen ist Abel Rodríguez, der eigentlich Mogaje Guihu heißt, aber seinen indigenen Namen in den 1990er-Jahren ablegen musste, als er vor der Gewalt in einen Randbezirk Bogotás flüchtete. Von seinem Vater, einem sabedor, einem Wissenden, hat er viel über die Pflanzenwelt an den Ufern des Cahuinarí-Flusses gelernt, wie man sie nutzen kann, um sich zu kleiden, zu ernähren und Krankheiten zu heilen.
Ein Mitarbeiter einer niederländischen NGO ermutigte ihn, den Entwurzelten, den Wald zu malen. Seine Illustrationen wie „Terraza Alta II“, von der wir einen Ausschnitt auf unserem Cover zeigen, versteht Abel Rodríguez bis heute nicht als Kunst. Er gibt mit den Zeichnungen sein Wissen weiter, am deutlichsten bei den „botanischen Tafeln“, die schriftliche Angaben zu den Pflanzen enthalten. Dennoch sind seine Bilder Teil der Kunstwelt geworden. 2008 wurden sie in die Schau „Historia Natural y Política“ am Museo Botero in Bogotá aufgenommen, es folgten Ausstellungen in Nord- und Südamerika sowie in Europa. 2017 nahm er an der Documenta teil. Wenn der heute 80-Jährige von sich erzählt, betont er vor allem seine Gabe, auf den richtigen Moment zu warten. Ein beredter Kontrast zu unserer westlichen Welt, in der wir stetig das Gefühl haben, dass die Zeit drängt.
Übrigens: Abel Rodríguez „Terraza Alta II“ war auf dem Cover der Weltkunst-Sonderausgabe „Kunst und Natur“