Das Centre Pompidou Metz würdigt Suzanne Valadon mit einer großen Ausstellung. Doch wie entwickelt sich der Kunstmarkt für die große französische Malerin der Moderne?
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26.05.2023
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 9/23
Ordnet man sie nun als Nachimpressionistin oder bereits als Expressionistin ein? Um Künstlerinnen und Künstler zeitgemäß zu präsentieren, setzt man gerne auf plakative Etikettierungen. Und so fielen den Kuratoren der Ausstellung zum Leben und Schaffen von Suzanne Valadon (Bessines-sur-Gartempe 1865 – 1938 Paris) in Philadelphia die Schlagworte „Modell, Malerin und Rebellin“ ein, die selbst die äußeren Stationen ihrer Biografie nur notdürftig beschreiben. Anders als viele Kolleginnen ihrer Generation wuchs die in Paris tätige Valadon nicht in privilegierten Verhältnissen auf, die es ihr ermöglicht hätten, eine kostspielige Ausbildung als Malerin zu finanzieren – obwohl die École des Beaux-Arts in Paris Frauen sehr viel früher offen stand als die meisten europäischen Akademien.
Damit schien ihr weiteres Leben vorgezeichnet: Valadon arbeitete zunächst als Gemüseverkäuferin; den Traum von einer Karriere als Zirkusartistin musste sie nach einem Unfall begraben. Danach saß sie als bezahltes Modell für zahllose Maler, die im prekären Milieu rund um den Montmartre zu Hause waren, und wurde dadurch selbst ein Teil der Bohème. Mit 18 Jahren war sie bereits Mutter: Der katalanische Kunstkritiker, Bühnenbildner, Maler und Ingenieur Miquel Utrillo erkannte 1891 die Vaterschaft für Maurice, den späteren Maler, an.
Die Proletariertochter verwandelte sich zusehends in eine Kunstfigur; jedenfalls fand ihre Art, sich im Bild zu inszenieren, bei vielen Malern Beifall, und mit einigen von ihnen ging sie wohl auch Liebesbeziehungen ein. Einer von ihnen war Henri de Toulouse-Lautrec, der sie zwar nicht heiratete, ihr dafür aber den nützlichen Rat erteilte, ihren biederen Taufnamen Marie-Clémentine abzulegen und einen Namen zu wählen, der ihrem sinnlichen Temperament entsprach – ihr künftiger Marken-Brand war damit geboren. Da ihrem Liebhaber neben ihrer sinnlichen auch ihre zeichnerische Begabung auffiel, empfahl er sie an Edgar Degas, der sie in die Drucktechnik einführte.
Ungewiss bleibt, wie vielen ihrer Kunden sie wirklich nachhaltige Anregungen für ihre stilistische Entwicklung verdankte. Unverkennbar ist jedoch der Einfluss der Künstler von Pont-Aven um Paul Gauguin. Die flächige Organisation ihrer Kompositionen, in denen das durch feste Konturen definierte Formgeschehen auf die plane Bildebene beschränkt bleibt, geht vor allem auf den von ihm vertretenen cloisonnistischen Ansatz zurück. In ihren Aktdarstellungen, Landschaften Porträts und Blumenmotiven zeigt sich diese Tendenz bereits ab etwa 1890. Dass sich die Malerin ungeachtet solcher Einflüsse ausschließlich autodidaktisch weiterbildete, erkannten Kritiker mit wachsender Anerkennung bald als Vorzug, denn so blieb ihre Malerei weitgehend autonom und frei von akademischen Fertigkeiten, die ihr den spontanen Zugang zu unkonventionellen Bildlösungen vermutlich erschwert hätten.
Mit etwas mehr als hundert Losen nahm der Umfang der aktuellen Offerte an Gemälden seit 2013 um rund 12 Prozent ab; im letzten Jahrfünft zeigten sich die Einlieferer allerdings wieder etwas motivierter und stellten knapp 60 Prozent des gesamten Warenaufkommens bereit. Die Quote der Rückgänge konnte von 30 Prozent auf ein Fünftel gesenkt werden, und seit 2018 musste sogar nur noch jedes zehnte Los zurückgenommen werden. Seit je wurden Valadons Bilder zu einem Gutteil in Frankreich gehandelt. In der vergangenen Dekade mussten die dortigen Häuser zwar einen Rückgang zugunsten des internationalen Markts hinnehmen, versorgen derzeit aber immer noch die Hälfte der Offerte, gefolgt von den USA mit einem guten Fünftel und Großbritannien mit 14 Prozent. Deren Anteil bestritten überwiegend die Branchenriesen Christie’s und Sotheby’s, die sich zusammen über 40 Prozent der Ware sicherten. Ihren Filialen in New York, London und Paris vertraute man offenbar auch die besten Qualitäten an, denn acht der neun Zuschläge über 100.000 Euro wurden dort erzielt.
Überhaupt sind sechsstellige Ergebnisse ein Novum: Mit wenigen Ausnahmen ließen sich die Käufer erst seit 2020 häufiger zu Investitionen in dieser Höhe motivieren. Weibliche Akte dominierten die Preisspitze, doch zunehmend schließen auch Stillleben-Motive auf. Landschaften und die selten angebotenen Porträts werden hingegen nicht annähernd so hoch gehandelt.
Die Datierung ist für die Preisfindung von untergeordneter Bedeutung; gute Werte erzielen Arbeiten nach dem Ersten Weltkrieg und auch Spätwerke aus den Dreißigerjahren. Allzu Frühes gelangt ohnehin nur selten auf Auktionen. 1919 entstand eine relativ großformatige „Landschaft am Montmarte (Der Garten an der Rue Cortot)“, die im April 2013 bei Rossini, Paris, zum Aufruf kam. Die Taxe von 15.000 Euro klang nicht gerade überzeugt, doch die Bieter hoben das auch aus der Ausstellung in Philadelphia bekannte Motiv bereitwillig auf 74.000 und sorgten damit für eines der besten Resultate in dieser Motivgruppe.
Im deutschsprachigen Raum platzieren Eigentümer ihre Schätze bislang nur ungern; lediglich auf Schweizer Auktionen tauchen Valadons Gemälde seit einigen Jahren regelmäßiger auf. Immerhin durfte sich Koller, Zürich, im Juni 2018 mit einem Außenseiter-Motiv bewähren: Ein auf Holz gemalter „Korb mit Eiern“ von 1932 war darum wohl auch ein wenig unsicher auf 10.000 Franken taxiert, verbesserte sich jedoch auf 18.000. Das bisher einzige deutsche Ergebnis legte Nagel, Stuttgart, im November 2020 vor. Ein 1932 entstandenes „Blumenstillleben mit Orchideen“ war auf marktorientierte 15.000 Euro geschätzt, konnte aber immerhin auf 17.000 hochgezogen werden. Zwölf Monate später landete Christie’s, New York, den bisherigen Bestwert für ein Gemälde der Künstlerin.
Für einen „Akt mit Draperie“ von 1921 setzte man nur behutsame – und angesichts des bestehenden Preisgefälles realistische – 50.000 Dollar an. Mit dem Ergebnis hatte wohl niemand ernstlich gerechnet – das Bietgefecht endete erst bei 380.000 Dollar. Der Rekordwert sorgte für Zuversicht, und nur wenige Wochen danach hob Sotheby’s, Paris, einen Blick auf Sacre Coeur ohne Schwierigkeiten von 60.000 auf 160.000 Euro.
Die plötzliche Aufwertung erstreckt sich auch auf die Stillleben der Malerin: Im Mai 2022 verdoppelte bei Holly International, Hongkong, eine „Blumenvase mit Draperie“ mit einem Zuschlag bei 1,2 Millionen Hongkong-Dollar (knapp 140.000 Euro) glatt die Taxe, nur zehn Tage danach verbesserte sich bei Artcurial, Paris, ein reichlich überladenes „Stillleben mit Kerzenleuchter und Fayence-Brunnen“ von 80.000 auf runde 100.000 Euro. Bei Christie’s, New York, orientierte man sich im vergangenen Oktober dagegen offenbar noch an den alten Preisen. Ein zwei Jahre vor dem Tod der Künstlerin datiertes „Stillleben mit Flieder und Kamelien“ war nur mit 30.000 Dollar veranschlagt, doch der Käufer blieb gelassen, bis er die Mitbieter bei 110.000 Dollar endlich abhängen konnte. Nur einen Durchschnittswert hingegen hatte man im September zuvor bei Genève Enchères für einen Blick auf „Die Kirche vom Fenster meines Zimmers in Meyzieu“ geschrieben – der Karton von 1918 blieb bei 24.000 Franken stehen, versechsfachte damit aber immerhin die Taxe.
Mit durchschnittlich neun Blättern pro Jahr war auch das Angebot an Zeichnungen recht gut sortiert. Meist gingen sie zu vierstelligen Preisen weg, nur neun wurden mit mehr als 10.000 Euro bewertet. Den höchsten Preis mit 31.000 Euro erzielte im Dezember bei Artcurial, Paris, die Kohlezeichnung „Akt auf Kanapee“, die damit den Schätzpreis mehr als verdoppelte.