Bei der Suche nach Kunstwerken, die Nazis einst vor allem jüdischen Eigentümern entrissen, soll eine Datenbank helfen. Ein Privatsammler erfährt anlässlich einer Schau in Baden-Baden davon, dass ein Gemälde aus seinem Besitz da auftaucht. Nun schaut sich der BGH den Fall an.
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25.05.2023
Der Bundesgerichtshof (BGH) prüft, ob ein Eintrag in einer Datenbank für potenzielles „NS-Raubgut“ und eine Interpol-Fahndung Makel an einem Kunstwerk sind. „Wir sehen hier durchaus, dass der Kläger in einer misslichen Lage ist“, sagte die Vorsitzende Richterin des fünften Zivilsenats, Bettina Brückner, am Donnerstag. Die „Kalabrische Küste“ des Malers Andreas Achenbach (1815-1910), um die es in dem Fall geht, dürfte so schwer verkäuflich sein, räumte Brückner ein. Ein Kunstsammler klagt sich durch die Instanzen, weil er sich in seinem Eigentum beeinträchtigt sieht. Der Senat will sein Urteil am 21. Juli in Karlsruhe sprechen.
1935 hatte die Reichskammer der bildenden Künste gegen den jüdischen Kunsthändler Max Stern ein Berufsverbot verhängt, vollzog es aber nicht. 1937 verkaufte er das Küstengemälde an eine Privatperson in Essen, gab die Düsseldorfer Galerie auf und wanderte nach Kanada aus.
Der Kläger erwarb das Bild 1999 im Rahmen einer Auktion in London. Dass er nach deutschem Recht der rechtmäßige Eigentümer sei, erklärte auch der Vertreter der Gegenseite vor dem BGH. Dies sind Treuhänder eines kanadischen Trusts, der Sterns Nachlass verwaltet.
Der Kläger möchte, dass sein Eigentum nicht weiter bemäkelt wird, weil Stern das Gemälde womöglich unter Verfolgungsdruck der Nazis verkauft hatte. Die Treuhänder hatten eine Suchmeldung für das Bild auf der Internetseite der Lost-Art-Datenbank veröffentlichen lassen. Dort ist es seit 29. Juni 2016 vermerkt. „Verlustumstand gemeldet als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut“, heißt es dazu.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg betreibt diese Datenbank, die Kulturgüter dokumentiert, die insbesondere jüdischen Eigentümern unter den Nationalsozialisten entzogen wurden – oder für die ein solcher Verlust nicht auszuschließen ist. Frühere Eigentümer beziehungsweise deren Erben sollen den Angaben zufolge mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib der Werke unterstützt werden.
Im Rahmen einer Ausstellung in Baden-Baden erfuhr der Kläger von der Suchmeldung sowie von einer in Kanada veranlassten Fahndung nach dem Gemälde durch die kriminalpolizeiliche Organisation Interpol. Sollte er in Karlsruhe – wie schon in den Vorinstanzen – mit seinem Antrag auf Unterlassen scheitern, möchte er zumindest, dass die Treuhänder das Löschen der Suchmeldung in der Datenbank beantragen müssen.
Der Vertreter der Treuhänder, Anwalt Siegfried Mennemeyer, sagte, das Register sei dazu da, historische Tatsachen zu erfassen. Diese hätten seine Mandanten geliefert. „Nicht mehr und nicht weniger haben wir gemacht.“ Dabei gehe es nicht um Fragen des Eigentums.
In Deutschland seien in der Datenbank gelistete Bilder durchaus auch lukrativ weiterverkauft worden, sagte er – räumte aber ein, dass das in Übersee anders aussehen könne. Um den Eintrag zu löschen, müsse sich der Kläger aus seiner Sicht an den Betreiber der Datenbank wenden. „Das ist nicht unsere Verantwortung“, sagte Mennemeyer.
Als Vertreter des Klägers entgegnete Wendt Nassall, die Liste habe einen konkreten Zweck: bei Eigentumsstreitigkeiten zu vermitteln. Für die Veröffentlichung sei das Einverständnis des Melders nötig – er könne den Eintrag also zurückziehen lassen. Den Kontakt zum Deutschen Zentrum Kulturgutverluste zu suchen, bezeichnete er als Umweg.
Weil das Zentrum nicht Partei in dem Streit ist, äußerte es sich dazu nicht. Es sei aber nicht das erste Verfahren um Datenbank-Einträge. (dpa)