Kaum eine TV-Serie war in jüngster Zeit so stilprägend wie die um den New Yorker Medienmogul Logan Roy und seine Erben. Unsere Interiorkolumne schaut in Folge 16 fasziniert auf ihre holzgetäfelten Apartments, mit Kunst bestückten Häuser und chromglänzenden Büros
ShareAm 28. Mai findet die Serie „Succession“ bei Sky und HBO ihr Finale. Dann wird klar sein, ob jemand und wenn ja, wer Logan Roys Nachfolge als Chefmistkerl — natürlich, vielleicht ist es auch ein Chefmistgirl — des Monstermedienkonzerns antritt. Sicher scheint nur, dass es wie bei Shakespeare jemand Privilegiertes, aber Unerprobtes, Verzweifeltes, überhaupt Unverdientes wird. Wie unerreichbar der Patriarch ist, machte vor ein paar Folgen bereits der Schauplatz seines Herzstillstands deutlich. Logan Roy stirbt in einem Flugzeug. Für ihn wohl die einzige Möglichkeit, in den Himmel zu kommen. Bei all der Pointendichte dieser Serie, wird also nicht nur spannend werden, wem, sondern auch wo die Roy-Krone übergeben werden wird.
Gab es denn überhaupt schon einmal eine Reiche-Leute-Serie, in der Orte und Räume so viel erzählt haben wie in „Succession“? „Reich und schön“ war in den 1980er-Jahren eigentlich „Reich und scheußlich“, bei „Gossip Girl“ in den 2000er-Jahren war das Außen (New Yorks Straßen, Treppen, Partys und Fashion) immer wichtiger als das Innen (notorisch unglaubwürdige Interieurs und Gefühle, die kaum länger anhielten als anderthalb Episoden). Es dürfte also besonders großen Spaß machen, diesen Wänden etwas genauer zuzuhören, denn natürlich besitzt im Reich der Roys fast jeder Kunst und viele Quadratmeter. Da verwundert es kaum, dass die Namen der Protagonisten auch aus unserer Stilkolumnen-Perspektive ebenfalls sprechend sind: Logan bedeutet im Schottisch-Gälischen so viel wie kleiner Hohlraum. Da, wo der Selfmademan Logan anfing, war nichts. Das ist bei seinen Kindern schon anders, die stehen und hängen namentlich überall herum. Kendall ist weich wie Wachs und brennt an kurzem Docht für die Anerkennung seines Vaters („Candle“). Seine Schwester Sibhoan ist ausgesprochen fast „Chiffon“. Roman Roys Geschmackshorizont reicht wahrscheinlich gerade zur antiken Säule, wobei, ja, sein vom Vater ironisch benutzter Spitzname Romulus eher auf den Gründungsmythos Roms hindeutet und den damit verbundenen Brudermord … Und schließlich, auch er gehört zur Familie, Cousin Greg — soft, aber in fähigen Händen zum Erstickungstod führend wie ein Kissen („Cushion“) und wachsam wie Gregorius. Nur Connor Roy, Sohn aus erster Ehe, fällt aus der Reihe, aber das tut er ja sowieso. Sein Name bedeutet etymologisch so viel wie Wolfsfreund. Also kein Wolf. Nur der Freund.
Das sitzt er. Logan Roy. Im Kreise seiner Liebsten und Doofsten. Wer so viel Persönlichkeit und so viel Macht besitzt, der kann seine Wohnung ruhig etwas steril und unpersönlich halten: „Schon früh wollte ich, dass die Dinge irgendwie inszeniert wirken“, sagt Szenenbildner Stephen Carter. „Man soll das Gefühl haben, dass diese Leute nicht die Zeit oder die Lust haben, ihre eigene Wohnung zu dekorieren. Sie haben ein Team von Leuten, die dafür bezahlt werden, und die haben wahrscheinlich ein bisschen Angst um ihren Job, also treffen sie eine Auswahl direkt aus den Magazinen, die sich jeder ansieht.“ Also muss es ein bisschen neureich aussehen mit hoteligen Möbeln und viel Symmetrie, aber neureich mit Sinn für Tradition, Holzvertäfelung und alte Meister. Das rechte Gemälde an der Rückwand weckt eher harmlose Assoziationen. Das barocke Landschaftsbild des Holländers Herman Nauwincx ähnelt in Format und Hintergrund eigentlich einem Herrscherporträt, nur ohne Herrscher. Wozu auch? Er sitzt ja im Raum. Delikater ist Peter Lelys Porträt der Herzogin von Portsmouth, eine Favoritin Karls II. Und Spion für Ludwig XIV. Was die schon alles gesehen haben muss und jetzt auch noch die Roys … Normalerweise wird in diesem Zimmer auch Schach gespielt, aber was heißt normalerweise. Logan Roy tut in diesem Moment wahrscheinlich nichts anderes — neben ihm sind hier schließlich alle sechzehn Spielfiguren im Bild.
Die Farbpalette hier ist eigentlich recht heiter, die Stimmung aber meistens trotzdem finster, daran ändert auch ein Schluck nichts. Es mag an der sklavisch befolgten Symmetrie in diesem Raum liegen und an den in diesem Filmstill weniger auffälligen, aber tatsächlich omnipräsenten glänzenden Oberflächen sowie Sitzgelegenheiten, die einzig eine aufrechte Haltung zulassen. Das Innere des Townhouses wurde am Set gebaut. Für Außenaufnahmen und als Erdgeschoss diente die American Irish Historical Society auf der New Yorker Fifth Avenue, eines der letzten Häuser seiner Art auf der Straße.
Logan Roys Büro befindet sich für die Dreharbeiten in einer vormals freien Etage am World Trade Center und scheint ein Musterbeispiel für Transparenz zu sein. Sensibilität ist auf dieser Etage ein großer Nachteil, der sofort gesehen, analysiert und ausgenutzt wird. So viel zur Transparenz. Völlig ersichtlich ist auch, wer hier der Boss ist (Tipp: Candle ist es nicht). Woher der stammt und wie wenig mit ihm zu spaßen ist, machen die vielen farbigen Stiche von schottischen Uniformen und die Speerspitzen vor der Skyline deutlich.
Der Thronsaal ist ebenfalls holzgetäfelt und die erträumten Urahnen aus dem alten Rom haben ihre Helme dagelassen, die Kupferstiche bilden europäische Festungen ab. Ronald Reagan auf dem Foto ist hier nur der zweite Mann im Bild. Irgendwo steht auch eine Weltkugel aus Glas — überall diese Transparenz! — und irgendein mutmaßlicher Giacometti als Erinnerung an kargere Zeiten in den namensgebenden Hohlräumen der Highlands. Vor allem treibt links aber die Newton-Wiege ihr Unwesen. Als Dekoration kann dieses „Executive Toy“ nur ein Neunzigerjahrewitz sein, als Metapher für den Herrscherstil Logan Roys ist es genial.