Sie war Künstlerin, Autorin, Rebellin und die Frau, die den tyrannischen Picasso verließ: Nun ist Françoise Gilot mit 101 Jahren in einem Krankenhaus in Manhattan gestorben
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07.06.2023
Stolze 101 Jahre ist Françoise Gilot geworden, die französische Künstlerin hat ein ganzes Jahrhundert durchquert. Vor diesem Hintergrund nimmt sich die Zeit, die sie mit Pablo Picasso verbrachte, wie eine Episode aus. Und dennoch sind jene zehn Jahre ab 1943 prägend für Gilot wie auch die Wahrnehmung geworden, die die Welt seither von ihr hat.
Sie ist die Frau, die Picasso verließ. Eine konsequente Entscheidung. Gilot, im November 1921 in Neuilly-sur-Seine geboren, hatte miterlebt, wie die erste Ehefrau Olga Khokhlova zur Stalkerin ihrer Nachfolgerinnen wurde und Dora Maar an der toxischen Beziehung zum Maler zerbrach. Zwei weitere Partnerinnen, Marie-Thérèse Walter und Jacqueline Roque, begingen nach Picassos Tod Suizid. Gilot trennte sich von dem 40 Jahre älteren Künstler, als er bereits die nächste Geliebte öffentlich ausführte, sie nahm die gemeinsamen Kinder Paloma und Claude mit – und profitierte angeblich von Picassos Ruhm. Dabei war sie zuvor schon als junge, an der Nouvelle École de Paris ausgebildete Malerin erfolgreich. Picasso verehrte sie damals aus der Ferne, lernte ihn dann kennen und pausierte während der Beziehung für den Maler und die Familie. Nach dem Bruch 1953 musste Gilot feststellen, dass Picasso sämtlichen ihm verpflichteten Galeristen verbot, ihre Bilder auszustellen. Trotzdem machte sie sich einen Namen, stellte unter anderem im Museum of Modern Art in New York aus. Vor zwei Jahren erzielte ihr Bild „Paloma à la Guitar“ von 1965 auf einer Auktion von Sotheby’s in London mehr als eine Million Euro.
1964 erschien ihr berühmtes Buch „Mein Leben mit Picasso“. Darin beschreibt sie den Künstler als tyrannisch und egoistisch. Er sei oft missmutig gewesen und habe alle, die mit ihm beruflich oder freundschaftlich zu tun hatten, gegeneinander ausgespielt. Gilot wurde für ihre Demontage des Idols heftig angegriffen, nicht nur von Picasso selbst, der einen juristischen Krieg gegen sie führte. Auch das mediale Echo war enorm. Es gibt Aufzeichnungen aus der Zeit, in denen sie nach ihren Absichten befragt wird. Und immer zeigen sie eine ruhige, eloquente Autorin, die mit Abstand ihre Beziehung resümiert und vielleicht auch verarbeitet, was ihr in dieser Zeit widerfuhr.
Es war ein Akt der Autonomie, Françoise Gilot war danach fast bis zum Schluss künstlerisch tätig, ihr Werk, das sich an der Grenze zwischen Figuration und Abstraktion bewegt, umfasst Skizzen, Aquarelle und Gemälde. 1969 verliebte sie sich in den Virologen Jonas Salk, ein Jahr später heiratete das Paar und blieb bis zu Salks Tod 1995 zusammen. Gilot pendelte zwischen ihren Ateliers in New York und auf dem Montmartre in Paris. Nun ist sie am 6. Juni in einem Krankenhaus in Manhattan gestorben.