Cecilie Hollberg

Direktorin der Accademia in Florenz fürchtet um Unabhängigkeit

Die Deutsche Cecilie Hollberg hat in ihrer Zeit als Museumsdirektorin in Florenz viel bewirkt. Doch nun fürchtet sie um die Unabhängigkeit der Einrichtung

Von Weltkunst News
19.07.2023

Die deutsche Direktorin der Galleria dell’Accademia in Florenz, Cecilie Hollberg, hat es geschafft, die Aufmerksamkeit von Besuchern auf Meisterwerke jenseits von Michelangelos David-Statue zu lenken. Und sie hat wegweisende Gerichtsverfahren zum Schutz des Marmorstandbilds vor Missbrauch gewonnen. Doch trotz dieser Errungenschaften in ihrer Zeit als Leiterin des am zweithäufigsten besuchten Museums in Italien fürchtet sie nun um dessen Unabhängigkeit.

Es wäre ein Dé­jà-vu: Im Jahr 2019 wurde Hollberg von einer anderen rechtsgerichteten Regierung kurzfristig gefeuert und die Accademia unter die Kontrolle der Uffizien gestellt, einem anderen Wahrzeichen von Florenz. Nachdem diese Regierung gescheitert war, wurde Hollberg im folgenden Jahr auf den Posten zurückgeholt und die Eigenständigkeit der Accademia wiederhergestellt.

Hollberg sagt, dass es sich nicht erklären lasse, warum die Unabhängigkeit des als Lehreinrichtung gegründeten Museums erneut bedroht sei. „Das ist eine sehr gute Frage: Warum wird die Accademia ins Visier genommen?“, sagte Hollberg diese Woche der Nachrichtenagentur AP in einem Telefoninterview.

Italiens Kulturminister Gennaro Sangiuliano hat keinen Hehl aus seiner Ansicht gemacht, dass zu viele Ausländer an der Spitze italienischer Topkultureinrichtungen stünden – nicht nur, was Museen betrifft, sondern auch Opernhäuser. Im Frühjahr wies er in einem Fernsehinterview Vorwürfe zurück, dass die Regierung gegen ausländische Manager und Managerinnen voreingenommen sei, aber er sagte zugleich, ihre Vorherrschaft demonstriere „einen gewissen xenophilen Provinzialismus, demzufolge wir in jeder Hinsicht einen Ausländer berufen müssen“.

Zurzeit laufen die Prozeduren zur Besetzung von zehn Museumsdirektor-Posten, unter anderem in den Uffizien und der Mailänder Accademia di Brera, die beide gegenwärtig von Ausländern geleitet werden. Anders als bei den offenen Ausschreibungen 2014, als eine linksgerichtete Regierung aktiv bestrebt war, Personen aus dem Ausland einzubringen, wird in dieser neuen Runde jetzt verlangt, dass der Bewerber oder die Bewerberin fließend Italienisch spricht.

Obwohl ihr Vertrag bis Juni 2024 läuft, blickt Hollberg nervös einem erwarteten Regierungsdekret in Sachen Kultur entgegen, um zu sehen, ob das Museum erneut seine Unabhängigkeit verliert. Diesmal käme die Accademia nicht wieder unter die Kontrolle der Uffizien, sondern würde dem Nationalmuseum Bargello unterstellt, einer anderen Einrichtung in Florenz, die Donatellos bronzenen David beheimatet.

Eine der Haupterrungenschaften Hollbergs ist es, dass jetzt auch andere große Kunstwerke in der Accademia mehr Beachtung bei den Besuchern finden, so Giambolognas Marmorskulptur „Raub der Sabinerinnen“ und Gemälde von Boticelli und Perugino. Eine Renovierung der Säle und verbesserte Beleuchtung hätten eine neue Präsentation der Kunstwerke bewirkt, gäben das Gefühl, „dass sie just gestern oder am Tag davor aus der Werkstätte gekommen sind“, sagt die Direktorin. Besucher hielten jetzt Museumsführer auf, um die anderen Kunstwerke auf sich wirken lassen zu können, und die Menschen seien auf die ganze Galerie verteilt und nicht nur zu den Füßen von Michelangelos David versammelt.

Hollberg hat auch erfolgreich vor Gericht für den Schutz der Rechte zum Gebrauch der Davidstatue gestritten und dieses Jahr die Rückerstattung von etwa 300.000 Euro erreicht. Sie erwartet, dass sich die Summe 2024 verdoppeln wird. Unter den Fällen, die das Museum angefochten hat, ist die prominente Nutzung des Genitals der Davidstatue auf einer Handtasche der französischen Marke Longchamp. „Es ist ein sehr wichtiger Präzedenzfall für das gesamte kulturelle Erbe. Ich habe diesen Kampf für die Würde des Werkes geführt, und wir haben gewonnen. Es ist ein epochaler Sieg.“

Hollberg hat auch einen Anstieg der Besucherzahlen erreicht – teilweise, indem die Öffnungszeiten des Museums an zwei Tagen in der Woche verlängert wurden. Das soll Menschen die Möglichkeit geben, dann zu kommen, wenn die Ausstellung weniger voll ist. Das Museum hat dieses Jahr bislang mehr als eine Million Besucher gezählt und ist auf einem guten Weg, den bisherigen Rekord von 1,7 Millionen Besuchern im Jahr 2019 zu brechen.

„Das Museum ist wiedergeboren. Es hat seinen Platz in den Herzen der Florentiner wieder eingenommen. Es ist renoviert worden, ohne sein Wesen zu verändern. Es gibt eine Serie von positiven Änderungen.“ Das sei das, was zähle, sagt Hollberg. „Die Nationalität ist nicht wichtig.“ (dpa)

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