Wer war der Vorläufer des Gartenzwergs? Wie passen Skulpturen in ein Stück Natur? Unsere Stilkolumne gibt Tipps für ein kunstvolles Heim. Folge 21: die Lust am Garten
ShareWissen Sie was ein Schmuckeremit ist? Wir wussten es selbst lange nicht. Schmuckeremiten, auch Ziereremiten (Englisch: „Ornamental Hermits“) genannt, waren das feudalistische i-Tüpfelchen des sich im 18. Jahrhundert entwickelnden englischen Gartens, der sich durch seine „Natürlichkeit“ von dem bis dato dominierenden französischen Schnickschnack-Garten distanzieren wollte. In aufwendigster Planung und penibelster Pflege sollte ein Garten geschaffen werden, der die Ästhetik eines vollkommenen Landschaftsbildes hatte und somit selbst zum Kunstwerk werden sollte. Jeder Baum, jeder Fluss und Teich, jeder Hügel und jeder Zweig sollten wie schon immer da gewesen aussehen und perfekt harmonieren. Der englische Garten war als konzeptuelles und eben nicht nur handwerkliches Gesamtkunstwerk gedacht, ähnlich wie der deutlich ältere japanische Garten.
Alles was zur lebensnahen Illusion fehlte, war der menschliche Faktor, der „Human Touch“. Also: flink ein Inserat in der örtlichen Zeitung aufgegeben und — schwupps — nannte man ein kleines Darstellerensemble an Dorfbewohnern sein Eigen, die ihren Job gegen eine Art Leibeigenschaftsverhältnis mit dem Parkbesitzer eintauschten. Nur umziehen mussten sie, nämlich in eine möglichst glaubwürdige „antike“ Hütte oder Höhle auf ebenjenem Grundstück. Die Aufgaben beinhalteten dann gar nicht viel mehr als zweimal täglich, wenn die Herrschaften spazieren gingen, vor die Tür zu treten und irgendwas Rustikales zu machen, möglichst „authentisch“, zur Freude der Zuschauer. Wäsche im Fluss waschen oder schnitzen oder so. Performance-Kunst im Garten eigentlich. Dass der Besitz von Menschen dann im 19. Jahrhundert selbst in England einen fahlen Beigeschmack bekam, führte dazu, dass die Schmuckeremiten kurzerhand durch mechanische Holzfiguren ersetzt wurden. Der Weg zum Gartenzwerg, der kristallisierten Form des Schmuckeremiten und beliebtesten Skulptur hiesiger Gärten, war nicht mehr weit.
Wer auch heute den Luxus eines eigenen Gartens hat, kann vieles damit anstellen, aber nicht alles. Jemanden im eigenen Garten begraben ist zum Beispiel in Deutschland nicht möglich, dafür muss man in die Schweiz. Dafür kann man bei uns im Gartencenter besonders viele Mittel und Werkzeuge zum Fugenreinigen finden, um möglichst wenig Natur zwischen den Steinplatten auf den kurzen Wegen zwischen Gartentor und Haustür zu haben. Das Spiel zwischen dem manikürten Buchsbaum und den wilden Gänseblümchen, das Yin und Yang, das Gleichgewicht von Mensch und Natur sowie dessen Inszenierung will hierzulande vielerorts noch gelernt werden.
Skulpturen im Garten richtig zu platzieren ist natürlich auch eine Kunst an sich. Meistens neigt man zum Überfüllen der oft kleinen Flächen. Die Kombination an Gartenzwergen und Buddhas auf engstem Raum will kuratiert sein. Fehler machen hier häufig auch die reichsten Menschen auf der ganzen Welt. Dann sind die Buddhas eben erstens größer und marmorner. Zweitens wird der Garten oft in seinem künstlerischen Eigenwert unterschätzt und das Spiel zwischen Groß und Klein, zwischen viel und wenig nicht beherrscht. Man will halt alles zeigen, was man hat und liebt, verständlich auch. Am schönsten sind aber eigentlich die Orte in der gestalteten Natur, an denen man nur ein Werk auf einmal sieht, das dem ganzen Garten eine poetische Bildunterschrift verleiht (Bruce Naumans Granitplatte „Partial Truth“ etwa). Wird dann der ganze Garten zum Kunstwerk?
Der wunderbare Künstler Ian Hamilton Finlay und seine Frau Sue haben diese Frage bis zum Streit und tatsächlich über viele Jahre bis zum siegreichen Ende geführt. Sie hatten sich 1966 in Südschottland ein Grundstück gekauft, dorthin zurückgezogen und damit begonnen, das verwunschene, romantische und poetisches Meisterwerk eines Gartens zu kreieren. Jahr für Jahr weigerte sich Finlay vehement, Gewerbesteuer zu zahlen. Sein Garten war schließlich keine Galerie, sondern ein Kunstwerk! Sein Opus magnum. Tatsächlich befinden sich dort endlose seiner Arbeiten aus Stein oder Metall über das Grundstück verteilt. Allerdings sind sie oft so versteckt und so ruhig und unaufgeregt, so feinsinnig eingebettet, dass man beim Spazierengehen viele davon fast übersehen könnte. Sie sind so ortsspezifisch und so mit der Natur verbunden, dass es trotzdem nicht überbordend wirkt. Der Kampf zwischen Finlay und seinem Feind, dem Staat — verortet in Edinburgh, dem „Athen des Nordens“, war so zäh und unerbittlich, dass er den Garten am Ende „Little Sparta“ taufte. Und so liegt Little Sparta noch heute da und wird kämpferisch verteidigt, um nicht aufgefressen zu werden. Denn sein Medium ist gleichermaßen des Gartens größter Feind: die Natur. Der Garten braucht uns, den Menschen.