Wassily Kandinskys Gemälde „Das bunte Leben“ verlässt das Lenbachhaus und wird an seine rechtmäßigen Erben zurückgegeben. Ein Kommentar
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01.08.2023
Emanuel und Hedwig Lewenstein starben, bevor die Deutschen die Niederlande besetzten und die Juden deportierten. Das Amsterdamer Ehepaar hinterließ neben seiner Nähmaschinenfabrik auch eine Kunstsammlung, deren Hauptwerk als eines der bedeutendsten Schaustücke im Münchner Lenbachhaus bekannt ist: „Das bunte Leben“ von Wassily Kandinsky, gemalt 1907. Es ist eine märchenhaft anmutende Szene voller altrussischer Figuren. Alles löst sich in glitzernden Punkten und Strichen auf; das Gemälde ist ein Schritt zu Kandinskys Abstraktionen nach 1910. Das Meisterwerk wird jetzt das Lenbachhaus verlassen und den rechtmäßigen Erben zurückgegeben. Denn die Kinder und Erben der Lewensteins wurden nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Mai 1940 entrechtet, beraubt und konnten nur unter großer Not ihr Leben retten. Die Auktion der Sammlung im Oktober 1940 geschah unter dem Vorzeichen der Verfolgung.
Die Restitution geschieht völlig zu Recht, auch die Bayerische Landesbank, die das Bild 1972 erwarb und als Dauerleihgabe ans Lenbachhaus gab, hat das schließlich eingesehen. Für das Museum ist es ein herber Verlust, aber auf Nachfrage dort gab es keine Anstrengungen, das berühmte Gemälde durch eine finanzielle Einigung mit den Lewenstein-Erben zu halten. Die Kandinsky-Preise der letzten Jahre sind in der Tat einschüchternd, unter 40 Millionen Euro wäre hier wahrscheinlich nichts zu machen. Was bleibt, ist die Ernüchterung, dass unser reiches Land nicht das Geld (oder das Interesse?) aufbringt, Kunstwerke dieser höchsten Klasse im Restitutionsfall zurückzukaufen.