Restaurierung

Der Zahn der Zeit

Aus unserer Reihe „Kunst und Recht“: Haben Künstlerinnen und Künstler ein Vetorecht, wenn Eigentümer deren Werke restaurieren wollen?

Von Eva Dzepina
05.09.2023

Kunstwerke können sich verändern: Erosion, Abnutzung, Patina oder gar Beschädigung – vieles kann dazu führen, dass ein Objekt nach einiger Zeit nicht mehr aussieht wie neu. Da stellt sich natürlich die Frage: Dürfen Kunstwerke vom Eigentümer restauriert oder repariert werden? Beziehungsweise: Muss der Künstler oder die Künstlerin Restaurierungsmaßnahmen einfach hinnehmen oder hat er ein Vetorecht?

Das Urheberrecht sieht vor, dass ein Künstler gemäß § 14 UrhG das Recht hat, eine Entstellung oder anderweitige Beeinträchtigung seines Werks zu verbieten. Dies gilt auch für die Erben. Voraussetzung für dieses Recht ist, dass die Veränderung geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Künstlers an der Werkintegrität zu gefährden. Die Vorschrift dient somit dem Schutz vor Verfälschungen in Bezug auf das objektivierte Urheberinteresse. Sie dient hingegen nicht dem Erhalt eines Kunstwerks, an dem – natürlich auch aus finanziellen Gründen – manchmal der Eigentümer sogar stärker interessiert sein mag als der Künstler selbst.

Natürlicher Verfallsprozess?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (AZ 20 U 134 / 17) hat 2019 einen Rechtsstreit entschieden, der die Zulässigkeit einer Restaurierung ohne Einwilligung des Künstlers beziehungsweise seiner Interessenvertreter zum Gegenstand hatte. Die Beklagten hatten an einer Plastik Restaurierungsmaßnahmen zur Erhaltung vorgenommen und dabei Plexiglashauben, Hohl- und Flachspiegel erneuert. Die Klägerin – die Rechtenachfolgerin des Künstlers – wollte dies ohne ihre Einwilligung nicht erlauben und forderte Auskunft und Unterlassung.

In der Vorinstanz hatte das Landgericht festgestellt, dass ein genereller Anspruch auf Unterlassung der Austauschhandlungen ohne Einwilligung der Klägerin nicht ersichtlich sei. Es könne bei den Werken des Künstlers nicht davon ausgegangen werden, dass ein natürlicher Verfallsprozess „Teil des künstlerischen Plans“ sei. Daher sei eine Restaurierungsmaßnahme zur Haltbarmachung oder Zurückversetzung in den Ursprungszustand des Kunstwerks nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Und in Bezug auf die betroffenen Plexiglashauben und Spiegel könne man auch nicht davon ausgehen, so das Landgericht, dass ein Austausch den geistigen Gehalt des Kunstwerks derart berühre, dass eine Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG verwirklicht sei. Ein Anspruch der Klägerin auf Beteiligung an Entscheidungen über eine Restaurierung sei also nicht ersichtlich und auch gesetzlichen Vorschriften nicht zu entnehmen.

Reparatur oder Entstellung

Mit der Berufung verwies die Klägerin auf die Rolle des Kunstwerks als zeitgeschichtliches Dokument. Der Austausch von Einzelteilen verfälsche das originale Kunstwerk, mache es zu einem Nachbau – und wenn ein Austausch als solcher erkennbar sei, handele es sich um eine Entstellung des Werks. Man müsse vom mutmaßlichen Willen des Künstlers ausgehen, dass Teile „originalgetreu“ ausgetauscht werden. Und die Beklagten könnten gar nicht selbst beurteilen, ob eine originalgetreue Rekonstruktion vorgenommen werde oder nicht – ein Einwilligungsvorbehalt sei deshalb unerlässlich.

Im geschilderten Fall unterlag die Klägerin schon aufgrund eines zu allgemein formulierten Klageantrags. Jedoch warf das Gericht in diesem Zusammenhang Fragen auf, die sehr interessant sind.

Sind neue und nachgebaute Teile als eine Entstellung im Sinne des § 14 UrhG einzuordnen? Dazu sollte zunächst einmal geklärt werden, ob der Verfallsprozess ein vom Künstler gewollter Aspekt seines Kunstwerks ist – denn manchmal kann es einem Urheber gerade darauf ankommen. Soll das Metall oxidieren? Soll Moos über das Werk wachsen, die Farbe verblassen? Wenn ein solcher geplanter „Verfall“ durch eine Restaurierung verhindert wird, wird der Wesensgehalt des Werks verzerrt und verfälscht. Mithin liegt in solchen Fällen eine Entstellung im Sinne von § 14 UrhG vor.

Wie weit darf die Restaurierung gehen?

Ohne einen gewollten Verfall bleibt die Frage, wie weit eine Restaurierung gehen darf, ohne eine verbotene Entstellung nach sich zu ziehen. Eine Entstellung wird natürlich immer dann vorliegen, wenn ein Werk verfälscht oder verstümmelt, der Wesensgehalt verändert wird. Dies ist für jeden Einzelfall zu prüfen, wenn der Künstler keine Vorgaben für Restaurierungen und Reparaturen vorgesehen hat. Im besagten Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf hatte der Künstler sogar Richtlinien dazu hinterlassen, die niederlegten, dass die Sachsubstanz so gut wie möglich erhalten bleiben solle. Dabei sollten Alterungs- und Gebrauchsspuren (Patina) als Bestandteil des Originals betrachtet werden (sofern sie die künstlerische Aussage nicht beeinträchtigen) und das Reinigen und Polieren der Originalsubstanz Vorrang vor Erneuerung haben. Ein Austausch solle zur Erhaltung oder Wiederherstellung der künstlerischen Aussage erlaubt sein.

Bei glasklaren Instruktionen durch den Künstler ist die Sache an sich einfach. Aber selbst dann kann ein Künstler oder dessen Rechtsnachfolger nicht verlangen, dass sämtliche Restaurierungen oder Reparaturen nur mit vorheriger Einwilligung durchgeführt werden. Denn dies ist vom Gesetzgeber so nicht vorgesehen.

Zwar liegt es in der Natur einer jeden Restaurierung, dass in ein Objekt eingegriffen wird, um Entwicklungen rückgängig zu machen. Dennoch kann man wohl in der Regel davon ausgehen, dass eine Restaurierung auch im Sinne des Urhebers ist, der sein Werk in dem Zustand erhalten sehen will, den es bei Fertigstellung hatte. Und letztlich wird es in den allermeisten Fällen auch im Sinne des Eigentümers sein, wenn ein Kunstwerk so originalgetreu und schonend wie möglich wiederhergestellt wird. Ob tendenziell die perfekte Restaurierung oder doch eher die Konservierung – also die Sicherung des Objekts bei Verbleib alterungsbedingter Gebrauchsspuren – das Ziel einer erhaltenden Maßnahme ist, werden am Ende auch der jeweilige Markt und der jeweilige Zeitgeist mitentscheiden.

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