Die Arbeiten von Isa Genzken wirken oft sperrig. Gleichzeitig gilt sie als eine der wichtigsten deutschen Gegenwartkünstlerinnen. Nun wird Genzken 75 Jahre alt
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27.11.2023
Eine Rose zum Geburtstag. Vor der berühmten Konstruktion der Berliner Neuen Nationalgalerie steht eine gut acht Meter hohe Version des Sinnbilds für Liebe, Schönheit, Reinheit. Isa Genzken hat 1993 ein erstes Exemplar dieses nach ihren Worten „internationalen Zeichens“ fertigen lassen. In diesen Tagen kann die Skulptur auch als symbolisches Geschenk an eine der wichtigsten deutschen Gegenwartskünstlerinnen gesehen werden. An diesem Montag wird die in Berlin lebende Genzken 75 Jahre alt.
In New York, einer weiteren wichtigen Stadt für das Schaffen der Künstlerin, steht ebenfalls eine ihrer Rosen. Seit 2018 erinnert ein Exemplar ihrer berühmten Arbeit aus acht Meter hohem, bemaltem Stahl neben dem neuen World Trade Center an die Toten des Terroranschlags vom 11. September 2001. Das Museum of Modern Art widmet Genzken 2013 eine umfassende Retrospektive, die auch durch die USA tourt.
1948 in Bad Oldesloe geboren, wächst Genzken in gutbürgerlichem Haus in Hamburg auf. Sie studiert Fotografie und Grafik in Berlin, geht an der Kunstakademie Düsseldorf in die Meisterklasse von Gerhard Richter. Von 1982 bis 1993 ist sie mit dem Maler verheiratet.
Nie lässt sich Genzken in eine Schublade stecken. Anfangs von der Minimal Art und der Konzeptkunst inspiriert, erkundet sie immer wieder neues Terrain, scheut auch vor Brüchen und Wagnissen nicht zurück.
Genzken wird mit ihren Arbeiten drei Mal zur documenta in Kassel eingeladen. Die Biennale in Venedig holt die Künstlerin gleich fünf Mal in die Lagunenstadt. 2007 gestaltet sie dort auch den Deutschen Pavillon. Unter dem Titel „Oil“ verwandelt sie die Räume in eine vom Tod gezeichnete Welt des Massentourismus. Das Kunstmagazin „Monopol“ sieht in ihr daraufhin die bedeutendste lebende Künstlerin“ des Jahres.
Auch 2023 führt Genzken dieses Top-100-Ranking wieder an. „Je mehr sich ihre wie zufällig arrangierte Assemblage- und Installationskunst aus glänzenden Alltagsmaterialien, Designermode, aus Spiegelfolie und Klebeband als Erweiterung der Bildhauerei allgemein durchsetzt, desto unverwechselbarer wird das Original“, schreibt das Magazin.
Mit Blick auf ihren Geburtstag hat die Neue Nationalgalerie 75 Arbeiten aus allen Schaffensperioden seit den 1970er Jahren zusammengetragen. Durch die verschiedenen Werkphasen werden die unterschiedlichen Techniken Genzkens unter Verwendung von Holz, Beton, Stahl, Plastik, Spiegel oder Stoff augenfällig.
„Isa Genzken. 75/75“ ist noch bis zum Geburtstag der Künstlerin zu sehen. Darunter sind auch einige Exemplare ihrer eigenwilligen Bearbeitungen der berühmten Nofretete-Statue oder skurril verkleidete Schaufensterpuppen, die auch als verfremdete Selbstporträts gesehen werden können.
Es sind häufig Fundstücke des Alltags, die Genzken zusammenträgt und in Beziehung setzt. „Ich verknüpfe gern Dinge, die vorher zusammenhanglos dastanden“, sagt sie einmal. „Diese Verbindung ist wie ein Händedruck unter Menschen.“ Dafür sind auch Antennen wichtig. Als Verbindungen zwischen Menschen oder Welten, von innen und außen sind sie Bestandteil im Werk. Mit Podesten hebt Genzken einige Arbeiten auf Menschengröße. Der Austausch kann so auf Augenhöhe stattfinden. Einer ihrer „Weltempfänger“ aus Beton mit langer Antenne trägt „Gerhard im Titel.
Genzken habe die Ausstellung besuchen können, verkündet Museumsdirektor Klaus Biesenbach im Lauf der Schau. Das ist nicht selbstverständlich. Die Künstlerin ist schon lange sehr krank. Sie leidet unter einer bipolaren Störung, die sie immer wieder in Dunkelheit und seelische Not stürzt. Ohnehin mag sie trotz des Ruhms keinen Rummel um ihre Person. Im Berliner Atelier arbeitet sie am liebsten allein, meidet öffentliche Auftritte, gibt kaum Interviews.
Zum Geburtstag gibt es noch ein Geschenk in Kunstform. An diesem Tag wird Genzkens monumentale Skulptur „Vollmond“ (1997/2023) im Außenbereich der Neuen Nationalgalerie installiert. Ein Jahr lang bleibt ihr Beitrag für die Skulpturprojekte Münster 1997 Teil der Außenarbeiten des Museums. Auf einem 14 Meter hohen Edelstahlstab leuchtet dann Tag und Nacht eine 2,5 Meter durchmessende Glaskugel. (Gerd Roth / dpa)