Sie sind noch nicht in Festtagsstimmung oder wissen gar nicht, wohin mit all den Adventsgefühlen? Für beide Seiten des Festspektrums sind einschlägige Filme ein bestes Ventil. Folge 28 unsere Stilkolumne stellt Weihnachtsfilme und ihr Set-Design vor: von „Kevin allein zu Haus“ bis „Eyes Wide Shut“
ShareDer unvergleichliche Weihnachts-Bond. Der schneereichste 007. James als Ehemann (wenn auch nur kurz). Die echteste Liebe in einem echten Bond-Film (was die Daniel-Craig-Filme ausschließt). Contessa Teresa „Tracy“ di Vincenzo, die tollste Bond-Frau („Teresa war eine Heilige, man nennt mich Tracy …“). Der beste Einzeiler (der Einmal-Bond und Connery-Nachfolger George Lazenby spricht zu Beginn des Films in die Kamera, nachdem ihm Tracy weggelaufen ist: „Das wäre dem andern nicht passiert“ – und einer der besten Vorspänne der Reihe beginnt). Und ein Weihnachtslied nur für diesen Film. In der Originalversion singt eine gewisse Nina „Do You Know How Christmas Trees Are Grown?“ und in der deutschen fragt Katja Ebstein zur selben Melodie „Wovon träumt ein Weihnachtsbaum im Mai?“. Ebsteins Frage ist berechtigt, die Dreharbeiten liefen nämlich bis Mai 1968. Da wurden Lieder noch mit schönstem Aufwand übersetzt und von regionalen Stars neu eingesungen. Immerhin, Louis Armstrongs „We Have All the Time in the World“ blieb der deutschen Version auf Englisch erhalten und besingt eigentlich die als stets unendlich empfundene und dann doch immer schnell vorbeiziehende Zeit „zwischen den Jahren“ (siehe auch: „Metropolitan“). Was aber besonders erstaunlich ist: das lebensnahe Bösewichthauptquartier, Piz Gloria genannt. Dort dekoriert Ernst Stavro Blofeld höchstpersönlich den Weihnachtsbaum mit so viel goldenem Lametta, wie es sich nur ein Welterpresser leisten kann. Seinem Alias – Graf Bleuchamp – gebührend ist Blofelds Oberengandiner Zentrale mit Zirbenholz vertäfelt und um Plexiglasdetails und George-Bracque-artige Grafiken ergänzt. So schick.
„More is more, less is a bore.“ Die Dekoration spielt in diesem Film die eigentliche Hauptrolle. Das komplett grün-rote Haus wäre in Miniaturform in einer Schneekugel der perfekte Weihnachtsschmuck, das Interieur wird durch Kevin zur Waffe, und die Dekoration umfasst von einzeln mit Lichterketten umrandeten Fenstern bis hin zu Schattenspielen mit Michael-Jordan-Pappaufstellern fast alles, was die Neunziger hergegeben.
Ziemlich eindeutig ist, dass Claus von Bülow kein Santa war. Ob er aber versucht hat, seine steinreiche Frau Sunny umzubringen, darüber scheiden sich bis heute die drei Geister der Weihnacht. Und der Film selbst, dessen erstes „Reversal of Fortune“ (so der Originaltitel) an Weihnachten passiert: Kurz bevor Sunny (Glenn Close) in ein Koma fällt, aus dem sie nie wieder aufwachen wird, verlangt sie von ihrem Mann Claus (Jeremy Irons) mehr Eierlikör. Wie das auszusehen hat bei den Bülows, zeigt eine längere Kameraeinstellung. Silberne Punschschale, silberne Punschtassen, silberne Punschkelle, Kaffeebohnen und „Candy“. Sunny von Bülow liebte Weihnachten über alles und Süßigkeiten noch mehr – im Film sowie im wahren Leben. Ansonsten beschränkt sich der Weihnachtsschmuck auf Clarendon Court in Newport, Rhode Island, auf rote Blumen hier und da (Weihnachststerne, Gladiolen) und den enormen Weihnachtsbaum mit bunten Lichtern in der steinernen Eingangshalle des Anwesens. Ein eigentümlicher Ort für das Zentrum der Festtage, aber passend zur unterkühlten Atmosphäre in dieser Familie. Die bunten Lichter im Baum scheinen so ein „Ding“ zu sein in der amerikanischen Oberschicht (siehe auch „Eyes Wide Shut“ und „Kevin allein zu Haus“). Der Eierlikör also. Den trinkt Sunny noch (zu viel davon) und spricht (noch) aufrecht sitzend einen ihrer letzten Sätze: „I’m thinking of redecorating this whole fucking house!“
Was Weihnachten wirklich bedeutet, davon handelt dieser kurze Trickfilm, der bei uns jedes Jahr in Dauerschleife beim Schmücken des Baumes läuft. Der schönsten Weihnachtsmusik des Vince Guaraldi Trios und der Botschaft wegen. Aus Charlie Browns Weihnachtsbaumfehlkauf – er hatte Mitleid mit dem gebrechlichen Ast – zaubern seine Freunde mithilfe von Snoopys Schmuckarsenal nach einer kurzen biblischen Ansprache unserer Lieblingsfigur Linus van Pelt („What Christmas is all about“) einen ganz herrlichen Baum. Ein bisschen war es mit dem kommerzkritischen „Christmas Special“ wie mit diesem Baum. Alle dachten, es würde ein Desaster geben, aber die Beharrlichkeit der Macher hat daraus einen Goldstandard des Weihnachts-Entertainments gemacht. Bis heute hält sein Geist an. Apple TV musste deshalb kürzlich vertraglich zusichern, dass „A Charlie Brown Christmas“ an bestimmten Tagen in der Vorweihnachtszeit kostenlos für Nichtabonnenten einschaltbar ist. Dieses Jahr sind das der 16. und 17. Dezember. Viel Freude!
Eiseskälte im warmen Los Angeles in den Weihnachtsferien. Desolate College-Heimkehrer wie Robert Downey Jr. an den Beverly-Hills-Pools ihrer Eltern und überall Achtizgerjahre-Dekoration: sehenswert. Es muss nicht immer gemütlich sein, und wie sollte das bei einer Bret-Easton-Ellis-Verfilmung auch gehen?
2003 ein Hollywood-Studio davon zu überzeugen, Will Ferrell als Hauptrolle in einem Kinofilm für ein breites Publikum zu besetzen, muss schwer gewesen sein. Ferrell hatte noch keinen Film nach seinem Abschied aus der Sketch-Show „Saturday Night Live“ gedreht, war zwar ein Star, aber eben kein Filmstar – schon gar nicht für einen Familien-Blockbuster. Also fand man ein Studio, das mit wenig Hoffnungen 30 Millionen Dollar in den Film steckte. Das ist in Amerika, ganz genau, Taschengeld. Der Film spielte dann 220 Millionen Dollar ein und wurde über die Jahre zu einem der beliebtesten Weihnachtsklassiker. Und tatsächlich ist der Grund dafür die Mischung aus Ferrells lautem Humor, der ähnlich wie hierzulande Helge Schneiders Witz, altersunabhängig funktioniert und eben trotzdem herzerwärmende ehrliche Liebe transportiert. Zum Beispiel in der Szene, in welcher der Eilf Buddy (Ferrell), nachdem er zum ersten Mal in New York und überhaupt zum ersten Mal in der Welt der Menschen ist, auf der Straße einen Coffee-Shop passiert und auf einem Neonschild „Best coffee in the world“ liest. Voller Begeisterung stürmt er in den halb leeren Laden und schreit „Herzlichen Glückwunsch!“ (zum besten Kaffee auf der Welt). Mit dem gleichen Elan und Lebensfreude dekoriert Buddy dann auch an seinem ersten und letzten Arbeitstag die Spielzeugabteilung eines Kaufhauses, in dem er über Umwege landet, und schiebt die Messlatte für Scherenschnitte in christliche Höhen.
Dass Tom Cruise seine „Eyes“ nicht „shut“ hat bei dem Ausmaß an Weihnachtsbeleuchtung in diesem Film ist kaum nachvollziehbar. Bunte Lichterketten, die hier immer wieder auftauchen (siehe auch „Die Affäre der Sunny von B.“ und „Kevin allein zu Haus“), haben schon Filmanalytiker ganze Metaebenenkaskaden in Stanley Kubricks letztem Meisterwerk sehen lassen, aber der eigentliche Grund zur weihnachtlichen Freude ist die Partyszene am Anfang: hemmungslose Lichterkettenbestrahlung in teuerstem New Yorker Upper-Class-Style, Tom Cruise in Hochform und Sky „High“ Dumont in Nicole Kidman (oder kurz davor). Merry Christmas!
Der Film von Sofia Coppola bekam (und bekommt) von vielen eine eher schlechte Bewertung, weshalb die Netflix-Produktion selbst auf Netflix kaum noch zu finden ist. Die Begründungen sind allerdings meistens eben jene Merkmale des Films, die ihn unserer Meinung nach jedes Jahr besser machen. Erstens: Bill Murray spielt sich selbst, diesmal wirklich. Zweitens: Es ist gar kein Film, sondern ein „Christmas Special“. Und ein solches hat eine lange Tradition, im Hintergrund zu laufen. Drittens: „Langeweile“ darf kein Kritikpunkt sein, sondern ist ein Grundpfeiler des Genres. Drittens: Fehlende oder gar obskure „Storylines“ sind hier nicht störend, sondern egal. „Gemütlichkeit“ ist das, was zählt. Einfach nur Stars beim Singen zuhören, aufstehen, Kekse holen, kurz die Zeitung lesen, auf dem Sofa ein Nickerchen machen und dann trotzdem nichts verpasst haben. Und wer doch zuschaut, kann tolle Deko wie zum Beispiel George Clooney entdecken. Oder man erfreut sich an der Bemelmans Bar des Carlyle Hotels, die mit den kleinen Lämpchen und den winterlichen Wandmalereien des Namensgebers auch im Hochsommer Weihnachtsstimmung erzeugt.
Traditionell der Film für die Zeit nach Weihnachten und vor Silvester. In dem Film werden diese Tage als „Orgy Week“ bezeichnet. Es passiert aber eigentlich nichts in diesem quintessentiellen WASP-Film, außer dass viel zu junge Menschen viel zu erwachsene Unterhaltungen führen, sich ungefähr verlieben und mit großer Schlagfertigkeit ihre Garderobe verhandeln. Jane Austen in New York 1990. Wir sehen auf den Spaziergängen das Midtown und die Upper East Side des geschmückten Manhattan, wie es einmal und in diesen Jahren wohl das letzte Mal war und nur im Carlyle noch besteht (siehe „A Very Murray Christmas“).