Vor gut einem Jahr zog es Julia Wallner von der Spree an den Rhein, als Direktorin ins Arp Museum Bahnhof Rolandseck. In unserem Fragebogen erzählt sie von ihren Ausstellungsprojekten, junger Kunst, die ihr aufgefallen ist, und der Würdigung von Sophie Taeuber-Arp
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26.01.2024
Derzeit beschäftige ich mich mit den Dadafrauen – ein erstaunlich wenig bearbeitetes Kapitel der Kunstgeschichte. Ich bin verhext und bezaubert und denke sehr viel über diese mutigen, entschlossenen und radikalen Frauen nach und über einen Begriff von „Kunstwerk“, der sich mit ihnen kolossal verändert hat. Sie haben immerhin die Performance als künstlerische Ausdrucksform erfunden.
Der Nabel von Hans Arp aus seinen von Kurt Schwitters herausgegebenen „Arpaden“. In diesem winzigen Werk steckt für mich das ganze 20. Jahrhundert – es vereint die Universalität der Kunst mit einem humorvollen Blick, der das Ganze ernst und wichtig nimmt und zugleich die menschliche Hybris infrage stellt. Die Arps, Hans und Sophie Taeuber, sind für mich als Paar weit ihrer Zeit voraus. Pazifismus, Ökologie und Gleichberechtigung waren in ihren Werken – und in ihrem Leben – wichtige Themen, das ist doch aussagekräftig für unsere Zeit!
Mit Sophie Taeuber, Sonia Delaunay und Alice Bailly würde ich mich wirklich ausgesprochen gern auf ihre Terrasse in Südfrankreich gesetzt haben. Sie waren dort in der markerschütternden Zeit des Zweiten Weltkriegs im Exil und unterstützten sich gegenseitig. Gerade das Festhalten an den eigenen Themen angesichts eines Klimas, das für Frauen alles andere als offen war, verlangt mir demütigen Respekt ab. Ich würde ihnen auch gern zuflüstern, dass ihre Werke aus der Verbindung von Kunst, Textil und Mode einen grundlegenden Beitrag zur Kunstgeschichte geleistet haben. In unserer groß angelegten Ausstellung zu Malerinnen seit dem Mittelalter bis in die Moderne ab Februar 2024 im Arp Museum sind sie selbstverständlich vertreten.
Die Ausstellung von Solange Pessoa im Kunsthaus Bregenz vereint das großartige Werk einer vielschichtigen Künstlerin, die skulpturale Ideen aus der Arte Povera weiterdenkt und in einen zeitgenössischen Kontext auf atemberaubende Weise aktualisiert. Der Zumthor-Bau ist ohnehin immer eine Reise – oder einen Zwischenstopp – wert.
Mit Anne Duk Hee Jordan hatte ich eine wunderbare Zusammenarbeit an meinem vorherigen Arbeitsort in Berlin. Ihre Reihe zu „Artificial Stupidity“, aber auch ihre fantastischen Zeichnungen und ihre Installationen beschäftigen mich immer neu. Mit skulpturalen und filmischen Mitteln thematisiert sie unseren ökologischen Raubbau, ihr Thema als ausgebildete Apnoetaucherin sind vor allem die Meere. Sie schafft dafür surreale und zugleich sehr eindrücklich in der Gegenwart situierte Gesamtsituationen, denen man sich kaum entziehen kann.