Günter Brus ist im Alter von 85 Jahren in Graz gestorben. Eine große Ausstellung im Kunsthaus Bregenz zeigt seine Arbeiten aus allen Schaffensphasen
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12.02.2024
„Zerreißprobe“ heißt die jüngste Sammlungspräsentation in der Neuen Nationalgalerie, ihr Titel ist ein Nachhall auf das Werk von Günter Brus. 55 Jahre nach dessen gleichnamiger Performance hat der Titel immer noch Signalcharakter. Und das dazu gehörende Video, in dem Brus seinen Körper bis zur absoluten Schmerzgrenze traktiert – ein Schild in der Berliner Ausstellung warnt vor den brutalen Szenen –, wirkt wie frisch gedreht.
Brus und Teile seines Werkes greifen mühelos in die Gegenwart, das verbindet ihn mit anderen Wiener Aktionskünstlern wie Rudolf Schwarzkogler oder Hermann Nitsch. Es liegt an der Direktheit wie Kompromisslosigkeit ihrer Arbeiten, die auch nach Jahrzehnten noch schockieren. Schon 1968 schnitt sich Brus in der Wiener Universität die Oberschenkel auf, onanierte und sang dazu die österreichische Nationalhymne. Der Künstler, 1938 in der Steiermark geboren und an der Wiener Akademie ausgebildet, sollte dafür ins Gefängnis gehen. Er zog 1969 mit seiner ihn künstlerisch unterstützenden Frau Ana lieber nach Berlin und setzte seine radikale Kritik an jeder Form von politischem Reaktionismus fort.
Fast ein Jahrzehnt dauerte die Auszeit von Österreich, in der sich Brus von der Selbstzerfleischung entfernte. Über die „Zerreißprobe“, 1970 in München realisiert, war kaum noch hinauszugehen, der Aktionismus kanalisierte sich in seiner Körperbemalung – und die Fotos der Auftritte mit kalkweißem Körper in leeren Räumen zählen zu den eindringlichsten Dokumenten einer Auseinandersetzung mit der eigenen Existenz.
Zeichnungen, Malerei – lange als Akt, der immer noch jeden Rahmen sprengte und das Atelier wie eine Tropfsteinhöhle zurückließ – und Poetisches kamen hinzu. Den Roman „Irrwisch“ (1970) kombinierte Brus mit Zeichnungen, beides wurde zwei Jahre später auf der Documenta 5 in Kassel ausgestellt. Danach entstanden „Bild-Dichtungen“. 1996 verlieh man ihm den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst. So ändern sich die Zeiten: Aus dem enfant terrible, dem ewigen wurde ein staatstragender Künstler, dem in Graz seit 2011 mit dem „Bruseum“ ein eigener Ausstellungsort gewidmet ist.
Brus blieb bei seiner Malerei im expressiven Stil, formulierte sein Bekenntnis zur künstlerischen wie menschlichen Freiheit jedoch in kleineren, beruhigten Formaten. Am Wochenende ist er nun in Graz, wo er weiterhin mit Ana lebte, im Alter von 85 Jahren gestorben. Kurz vor der Eröffnung seiner großen Ausstellung „Günter Brus“ im Kunsthaus Bregenz, die ab 16. Februar Arbeiten aus allen Schaffensphasen zeigt und an der Brus bis zuletzt mitgestaltet hat.