Nachruf

Abschied von Hans-Joachim Neidhardt

Der deutsche Kunsthistoriker, Museumskustos und Kurator Hans-Joachim Neidhardt ist mit 99 Jahren in Dresden verstorben

Von Florian Illies
07.02.2024

Er hat noch gewartet, bis sein Leitstern Caspar David Friedrich endlich seinen 250. Geburtstag feiert, nun ist er ihm nachgefolgt in jenen Himmel über Dresden, den niemand so malen konnte wie Friedrich und niemand so beschreiben wie Hans-Joachim Neidhardt. Gerade im Januar wurde noch sein 99. Geburtstag gefeiert, der Jubilar wie immer mit hellwachem Verstand und warmen Witz in seinem Lehnstuhl, jetzt ist er in seinem Haus hoch über dem Dresdner Elbtal friedlich eingeschlafen.

In Gedenken an Hans-Joachim Neidhardt

Für Jahrzehnte war sein Wohnzimmer die Pilgerstätte aller Liebhaber und Forscher der Kunst der Dresdner Romantik. Denn Neidhardt hatte als Kustos für die Malerei des 19. Jahrhunderts an den Dresdner Museen zwar 1974 die  legendäre DDR-Ausstellung zum 200. Geburtstag Friedrichs initiiert und kuratiert – sein Herz aber gehörte auch all den anderen Haupt- und Nebenwegen der Romantik, die er oft als Erster erkundete und beschrieb. Sein auch sprachlich beeindruckendes Hauptwerk war „Die Malerei der Romantik in Dresden“ und es waren Friedrichs Zeitgenossen Dahl, Ernst Ferdinand Oehme und vor allem Ludwig Richter, denen er ihre einstige Bedeutung zurückgab. Doch nicht nur die Malerei lag ihm am Herzen, sondern auch das Stadtbild – er wurde zu einem der zentralen Motoren der Bürgerinitiative zum Wiederaufbau der Frauenkirche.

Sein unbestechliches Urteil, seine beharrliche Energie, sein hohes Qualitätsbewusstsein, seine persönliche Bescheidenheit und sein missionarischer, nie versiegender Wunsch, den Menschen die Augen für die Schönheit zu öffnen – dies alles machte ihn nach dem Sammler Friedrich Lahmann in der ersten Jahrhunderthälfte nach 1945 zu dem wichtigsten Botschafter des eigentümlichen Zaubers der Dresdner Romantik im 20. Jahrhundert.

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