Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ gehört zur deutschen Kinogeschichte. Im Gespräch erzählt der Filmemacher von einem Jaguar, Sport-Wettläufen – und wie oft er „Oppenheimer“ angeschaut hat
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30.03.2024
Volker Schlöndorffs Karriere gleicht einem Marathon. Der Regisseur der oscarprämierten Romanverfilmung „Die Blechtrommel“ ist seit rund 60 Jahren erfolgreich im Filmgeschäft. Er drehte mit den Hollywoodgrößen Dustin Hoffman und John Malkovich. Am 31. März feiert Schlöndorff nun seinen 85. Geburtstag – und denkt nicht an den Ruhestand. Im Gegenteil: „Ich bin zurzeit aktiver denn je – aber mit einem inneren Abstand“, sagt der Filmemacher der Deutschen Presse-Agentur in seinem Haus in Potsdam an der Stadtgrenze zu Berlin.
Das Anwesen ist mit Osterdeko geschmückt. Schlöndorff trägt eine schwarze, runde Brille und wirkt gelassen. Wie er seinen Geburtstag feiern möchte? „Glücklicherweise fällt der ja auf Ostersonntag. Also, wir werden Ostereier suchen, mit meiner Tochter und Freunden“, sagt er und lacht.
Fragt man Schlöndorff nach der Zukunft des Kinos, klingt er optimistisch. Bei den Oscars seien tolle Filme nominiert worden. Das prämierte Justizdrama „Anatomie eines Falls“ habe er dreimal gesehen, „Oppenheimer“ zweimal. „Diese Filme sind auch diejenigen, die im Kino erfolgreich waren“, findet der Regisseur. Mit mehr solcher Produktionen werde das Kino besser überleben. „Die Qualität setzt sich durch. Man geht nur dann ins Kino, wenn es wirklich etwas Besonderes ist.“ Jeder Besuch müsse ein Ereignis sein, denn heutzutage gingen die Menschen gezielt in besondere Filme. „Das ist eine Riesenchance für uns Filmemacher und auch für die Kinos.“
Schlöndorff gehört zu den großen deutschen Filmemachern. Die „Deutsche Welle“ bezeichnet ihn 2019 als einen „hochintelligenten Profi auf dem Regiesessel.“ Geboren wird er 1939 in Wiesbaden, wächst in Schlangenbad im Taunus auf, kommt als Schüler nach Frankreich und bleibt dort viele Jahre. Er geht als Regieassistent von Louis Malle, Alain Resnais und Jean-Pierre Melville bei Vertretern der Nouvelle Vague in die Lehre.
Zu seinem wohl größten Erfolg gehört „Die Blechtrommel“ aus dem Jahr 1979. Der Film wurde mit der Goldenen Palme in Cannes und einem Auslands-Oscar ausgezeichnet. „Dieser Titel sollte mir für den Rest des Lebens anhaften wie ein Markenzeichen“, schreibt er in seiner 2008 erschienenen Autobiografie „Licht, Schatten und Bewegung“.
Verfilmt hat Schlöndorff zum Beispiel auch Max Frischs „Homo Faber“ und Arthur Millers Drama „Tod eines Handlungsreisenden“ mit Dustin Hoffman und John Malkovich. Frisch schenkte ihm später seinen Jaguar – Schlöndorff übergab das Auto 2022 dem Museum Verkehrshaus der Schweiz.
Aktuell nimmt er sich sein nächstes Projekt vor: Einen Film über den italienischen Komponisten Antonio Vivaldi (1678-1741) nach einem Roman von Peter Schneider. „Die Musik, die wir heute in jedem Fahrstuhl hören, die ist überhaupt 200 Jahre lang verschollen gewesen“, erzählt Schlöndorff.
In seinem Film, der in italienischer Sprache entstehen soll, will er sich einer bestimmten Seite des Komponisten des weltbekannten Stücks „Vier Jahreszeiten“ widmen: Vivaldi als Musiklehrer in einem Waisenhaus für Mädchen. Jahrelang habe der geweihte Priester das erste weibliche Orchester Europas geleitet. „Das ist doch eine sehr, sehr spannende Geschichte.“ Es solle darum gehen, was Vivaldi für ein Mensch war. „Wahrscheinlich eine Art Melancholiker, der aber Momente unglaublicher Begeisterung hatte. Ein Revolutionär, der die Musik umgekrempelt hat.“
Das Projekt sei aber noch in den Kinderschuhen: Momentan werde nach Darstellerinnen und Darstellern sowie nach Geld gesucht. Er möchte es gemächlich angehen lassen. „Ich versuche, das in meinem Tempo zu machen. Und wenn es dieses Jahr nicht wird, dann wird es nächstes Jahr. Oder es wird gar nicht. Auch kein Unglück, weil ich dann eine interessante Beschäftigung gehabt habe.“
Schlöndorff sitzt am Computer in seinem Arbeitszimmer – ein heller Raum mit hohen Bücherregalen und einer breiten Fensterfront -, als gerade eine Bewerbung für eine Rolle in dem Filmprojekt ankommt. An einem Schrank hängen zahlreiche Medaillen verschiedener Wettbewerbe – mit 60 Jahren hat der Regisseur den Marathon für sich entdeckt.
Mittlerweile seien die Langstreckenläufe kein Thema mehr für ihn. „Ich laufe noch – da drüben an dem Ufer ist ein sehr schöner Weg“, sagt er und schaut aus dem Fenster. „Aber keine von diesen Volksläufen mehr.“ Zum vierzigjährigen Jubiläum des Berlin-Marathons 2013 schrieb der Regisseur: „Filme und Kunst und vieles im Leben macht man ja, um anderen etwas zu beweisen. Laufen ist nur für einen selbst.“ (Sabrina Szameitat, dpa)