Himmelsscheibe von Nebra

Geheimnis um Herstellungsprozess gelüftet

Seit der Rettung der Himmelsscheibe aus den Fängen von Hehlern ist sie intensiv untersucht worden. Jetzt gibt es dank moderner Analyseverfahren Neues zum Schmiedevorgang des bedeutenden Artefakts

Von Weltkunst Redaktion
29.11.2024

Zum ersten Mal ist es Wissenschaftlern gelungen, den Herstellungsprozess der über 3.600 Jahre alten Himmelsscheibe von Nebra umfassend zu analysieren. Die Bronzescheibe gilt weltweit als die älteste Darstellung konkreter Himmelsphänomene. 2013 wurde sie in das „Memory of the World“-Register der UN-Kulturorganisation Unesco aufgenommen.

„Die Erkenntnisse beziehen sich auf den Guss- und Herstellungsprozess der Grundform der bronzenen Scheibe, nicht auf die Fertigung des Goldes auf der Scheibe“, sagte Landesarchäologe Harald Meller der Deutschen Presse-Agentur. „Es geht also um das Grundmodell der Scheibe.“

Die metallografischen Untersuchungen ergaben, dass die Himmelsscheibe in einem aufwendigen Warmschmiedeprozess hergestellt wurde. Bis sie ihre endgültigen Ausmaße erreichte, waren ungefähr zehn Zyklen notwendig. Ein Zyklus umfasst das Erhitzen bis auf rund 700 Grad Celsius, das Ausschmieden und anschließendes Glühen, um das Metallgefüge wieder zu entspannen. Bronze ist eine Legierung, die hauptsächlich aus Kupfer und einem geringen Anteil an Zinn besteht.

Modernste Analyseverfahren bestätigen die Herstellungsabläufe 

Neben Mikrostrukturanalysen an farbgeätzten Oberflächen mit dem Lichtmikroskop kamen zwei moderne bildgebende Verfahren zum Einsatz. Eine kleine Probe aus dem äußeren Bereich der Himmelsscheibe, die im Jahr 2002 erstmals für verschiedene archäometallurgische Forschungen entnommen und zwischenzeitlich wieder eingesetzt worden war, wurde abermals entnommen, neu untersucht und anschließend wieder eingesetzt. Zudem gab es Härtemessungen. 

Die Himmelsscheibe ist einer der bedeutendsten archäologischen Funde Deutschlands. Sie war 1999 von zwei Raubgräbern nahe Nebra in Sachsen-Anhalt entdeckt worden. Zwei Hehler hatten den Schatz von den Raubgräbern erworben und wurden bei einer fingierten Verkaufsaktion im Februar 2002 in Basel (Schweiz) geschnappt. Die Hehler wurden rechtskräftig verurteilt.

Schmied fertigt Replik an 

Der Kupferschmied Herbert Bauer aus Halle fertigte in einem experimentellen Versuch eine Replik aus einem gegossenen Rohling an. Im Ergebnis wurde klar, dass der gegossene Rohling des Originals etwas größer und dünner als derjenige gewesen sein muss, der für die Replik verwendet wurde. 

„Dass die Untersuchungen auch mehr als 20 Jahre nach der Sicherstellung der Himmelsscheibe noch derart grundlegende neue Erkenntnisse erbrachten, bezeugt nicht nur einmal mehr den außergewöhnlichen Charakter dieses Jahrhundertfundes, sondern auch, wie hoch die Kunst der Metallverarbeitung bereits in der Frühbronzezeit ausgeprägt war“, sagte Meller.

Himmelsscheibe war Kalender und Kultobjekt

Für die Menschen der Bronzezeit war die Himmelsscheibe sehr wertvoll gewesen und maximal 400 Jahre im Gebrauch. Das Material wurde Untersuchungen zufolge bereits in der Bronzezeit von mehreren Handwerkern untersucht – eine etwa sechs Zentimeter lange und einen Millimeter tiefe Kerbe auf der Rückseite der Bronzescheibe weist darauf hin. Auf der Vorderseite befinden sich goldene Abbildungen, die als Horizontbogen, Schiff, Mond, Sonne und Sterne gedeutet werden. 

Die Forschungen an der Himmelsscheibe fanden in Kooperation zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Lehrstuhl für metallische Werkstoffe und der Firma DeltaSigma Analytics GmbH, Magdeburg, statt. (dpa)

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