Bei der Provenienzrecherche zum Nachlass Cornelius Gurlitt zieht die Stiftung Kunstmuseum Bern jetzt vorläufige Bilanz und will Werke mit ungeklärter Herkunft aus der umstrittenen Sammlung restituieren
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10.12.2021
Sieben Kunstwerke sollen entweder an die Erben ehemaliger Eigentümer übergeben werden oder zurück an die Bundesrepublik Deutschland gehen, erklärte die Stiftung Kunstmuseum Bern am Freitag in einer Mitteilung. 22 Arbeiten verbleiben noch zur weiteren Forschung im Museum. Zudem seien die Ergebnisse der bisherigen Provenienzabklärungen zum Gurlitt-Erbe nun auf der Museumswebseite unter gurlitt.kunstmuseumbern.ch einsehbar.
Die Beschlagnahmung der bis dahin unbekannten Sammlung von Cornelius Gurlitt in dessen Münchner Wohnung hatte im Herbst 2013 für Schlagzeilen gesorgt. Weil der Vater des Sammlers, der Kunsthändler Hildebrandt Gurlitt, nach Beginn des Zweiten Weltkriegs einer der Haupteinkäufer von Kunstwerken für die Nationalsozialisten gewesen war, bestand bei den in München aufgefundenen Werken ein starker Raubkunstverdacht. Mit der Annahme des Erbes von Cornelius Gurlitt hatte das Kunstmuseum Bern 2014 auch die moralische Verpflichtung übernommen, die Herkunft der Bilder zu untersuchen.
In der nun vorgestellten Bilanz stellt sich das Gurlitt-Konvolut nach den Farben einer „Provenienzampel“ geordnet dar: In der Kategorie „Grün“ ergab die Provenienzrecherche bei 28 Werken keinen Raubkunstverdacht. Unter „Gelb-Grün“ finden sich 246 von Familienmitgliedern des Sammlers geschaffene Arbeiten sowie 1091 Werke, bei denen es weder Belege für einen Raubkunstfall noch Hinweise oder andere auffällige Begleitumstände gab. Die Kunstwerke bleiben nun Eigentum des Berner Museums. Neun Bilder konnten dagegen als Kunst identifiziert werden, die zweifelsfrei zwischen 1933 und 1945 geraubt wurde (Kategorie „Rot“). Diese waren bereits zuvor an die Erben der Voreigentümer restituiert worden.
Am Spannendsten ist derzeit die Kategorie „Gelb-Rot“ mit 29 Werken, bei denen Raubkunstfälle nicht belegt werden konnten, aber bei denen es dennoch Hinweise auf NS-Raubkunst oder Auffälligkeiten gab. Für diese Werke erklärte die Stiftung Kunstmuseum Bern, das Eigentum aufzugeben. So sei beispielsweise Anfang November die Entscheidung gefallen, dass zwei Aquarelle von Otto Dix – „Dame in der Loge“ (1922) und „Dompteuse“ (1922) – den Erben von Ismar Littmann und den Nachfahren von Paul Schaefer gemeinschaftlich übergeben werden. Fünf weitere Werke werden zurück an die Bundesrepublik Deutschland gegeben, die über den weiteren Umgang entscheidet. Die restlichen 22 „gelb-roten“ Bilder bleiben vorerst noch in Bern, da das Museum „aufgrund von neuen substanziellen Forschungsansätzen weitere Provenienzabklärungen“ vornehmen will. Das betrifft unter anderem auch ein Konvolut, auf das die Erben des deutsch-jüdischen Sammlers Fritz Salo Glaser Anspruch erheben.