Das Museumsquartier St. Annen verbindet gelungen Alt und Neu, und im historischen Gängeviertel wartet Street-Art
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Das Panorama des alten Lübeck ist viel gerühmt und gemalt. Also überqueren wir die MUK-Brücke und die Trave, um die Silhouette der Sieben-Türme-Stadt zu bewundern. Vom Dach der Musik- und Kongresshalle (MUK) winken uns Die Fremden von Thomas Schütte, die er 1992 für die Documenta in Kassel schuf. Die farbige Figurengruppe mit Gepäck thematisiert Flucht, Krieg und Verfolgung. Weiter finden wir „Dienst an der Pforte“ von 1994, eine Installation von Peter Turpin. Zwölf graue Stahlkörper reihen sich wie zu einer Willkommensgeste.
Jenseits des Holstentores erheben sich sechs alte Salzspeicher, die manchen als das wahre Wahrzeichen Lübecks gelten. Daneben liegt die Kunsttankstelle, ein alternatives Kunstprojekt des Vereins Defacto Art. In einer ehemaligen Tankstelle von 1936 wurden 18 Garagen zu Ateliers umgebaut. Ausstellungen finden in der einstigen Waschhalle und im Garten statt.
Am Malerwinkel, der die wohl berühmteste Altstadt-Ansicht liefert, wechseln wir erneut die Uferseiten, um den doppeltürmigen Dom zu besuchen. 1163 geweiht, gehört er zu den frühesten Bauwerken. Von Meister Bernt Notke enthält er zwei Großwerke: das wie ein Lebensbaum gestaltete Triumphkreuz und der Lettner, beide von 1477. Die gewaltige Uhr von 1628 lässt den Tod zur vollen Stunde schlagen und die Sanduhr umdrehen. Lothar Quinte schuf 1964 das dreiteilige Westfenster. Ohne figürliche Darstellungen spielt der Künstler in der Bleiverglasung mit einem grafischen Netzmuster und 72 Farbtönen, die bei Sonne ein herrliches Licht ins Gotteshaus zaubern.
Wo einst Augustinerinnen beteten, vereint das Museumsquartier heute das St. Annen-Museum für mittelalterliche Kunst und die Kunsthalle, 2003 auf den Grundmauern der Klosterkirche errichtet. Eine prämierte Symbiose aus Alt und Neu, die auf die Architekten Siegmund und Konermann-Dall zurückgeht. Um den spätgotischen Kreuzgang versammeln sich Sakralschätze, darunter die größte Anzahl mittelalterlicher Flügelaltäre in Deutschland. Schmuckstück ist Hans Memlings Passionsaltar. Die Kunsthalle kontrastiert mit Ausstellungen zur Kunst ab 1945. Zu den Highlights gehören Andy Warhols Holstentor oder die Installation „Darth Vader und Mumin“ von Jonathan Meese.
Es folgt St. Aegidien, die fünfte und kleinste der Hauptkirchen. Im Inneren fällt der marmorne Barockaltar auf, vor allem aber der reich geschnitzte Singechor von 1587. Er stammt aus der Hand des Lübeckers Tönnies Evers dem Jüngeren und gilt als Hauptwerk der norddeutschen Schnitzkunst der Renaissance. Prunkvolle Epitaphe erzählen vom Stolz der Ratsherren.
Im Rücken des Gotteshauses darf man das Gemälde des französischen Künstlers Julien de Casabianca nicht übersehen. Auf eine Bunkerwand brachte der Shootingstar der Street-Art das »Kind im Spielzimmer« von Heinrich Eduard Linde-Walther auf den Putz. Es gehört zu seinem „Outing“-Projekt, Kunst aus den Museen auf die Straße zu bringen. Das Original hängt im Behnhaus Drägerhaus.
Ohne das Gängeviertel geht Lübeck nicht. Mit dem Von-Höveln-Gang in der Wahmstraße 75 ist ein gutes Beispiel dieser Wohnart in den Hinterhöfen anzutreffen. Neben einer Tür entdecken wir das „Outing“-Gemälde zweier Lübecker Künstlerinnen, die vier „Linde-Kinder“ aus dem berühmten Edvard-Munch-Werk.
Drei volle Tage enden und verdienen den kulinarischen Abschluss bei Johanna Berger. Bei der Michelin-Stern-Köchin wählt man à la carte oder das Überraschungsmenü. Dazu gibt es knarrende Dielen, Lüster und schrille Kunst – fast wie bei den Buddenbrooks zu Hause.