Wir beginnen unsere Tour am Stadthuset, dem Wahrzeichen der Stadt. Anschießend bestaunen wir die Statue des Heiligen Georg im Dom und entdecken den Skulpturenpark vor dem Moderna Museet
ShareWer mit dem Flugzeug oder Zug ankommt und dann die Metro nimmt, besucht nebenbei die längste Kunstgalerie der Welt. 94 der 100 U-Bahn-Stationen wurden von Künstlerinnen und Künstlern gestaltet. Die Idee zur Kunst im öffentlichen Raum hat Tradition. Seit den 1930ern gilt hier die Regel, dass zwei Prozent der Kosten aller staatlichen Bauprojekte in Kunst fließen sollen. Seit den 1950er-Jahren werden in diesem Sinne die U-Bahn-Stationen Kunstschaffenden überlassen. Wer mehr wissen möchte, schließt sich einer Gratisführung an, die an der Station T-Centralen startet. In Stockholm ist zwar vieles teuer – Ausgehen zum Beispiel –, aber Schweden ist ein vorbildlicher Sozialstaat, ein bisschen Kultur geht immer. Viele Museen bieten freien Eintritt und die Skulpturenparks ohnehin.
Wir verlassen die Bahn an der Station T-Centralen und beginnen unsere Stockholmtour mit einem Wahrzeichen der Stadt, dem Stadshuset. Eingeweiht wurde es am 6. Juni 1923, am 400. Jahrestag von Schwedens Unabhängigkeit von Dänemark. Wir starten den Besuch mit einem Blick vom Turm über die Inseln der Stadt und in Richtung Schären. Danach geht es ins Haus. Das Rathaus wird zwar nicht mehr als solches genutzt, beherbergt aber Verwaltungsbüros, deshalb kommt man nur mit Führung hinein. Zuerst geht es in die Blaue Halle, die kein bisschen blau ist, weil der Architekt Ragnar Östberg den rohen Ziegelsteinlook doch schöner fand – dafür ist der Raum aber sehr berühmt. Hier findet jedes Jahr am 10. Dezember das Bankett zur Nobelpreisverleihung statt. Spannender ist der Goldene Saal, der hält, was der Name verspricht. 18 Millionen vergoldete Mosaiksteine zeigen verschiedene Szenen der schwedischen Geschichte. Wir finden die Mälarkönigin, die Allegorie der Stadt Stockholm, Christina von Schweden, die konvertiert und Schweden verlässt, auch August Strindberg ist verewigt, ein goldener Comic der Kulturgrößen der Stadt.
Im Stadshuset und vor allem im Park nahe dem Wasser könnte man sich ewig aufhalten. Wer mag, bleibt bis 23 Uhr und wartet auf den Sonnenuntergang, in den Sommernächten bleibt es trotzdem hell. Alle anderen ziehen weiter in die Altstadt, die Gamla Stan.
Der schwedische Nationalstil, also Backstein und sehr hoch, begegnet uns wieder in Storkyrkan. Die „Großkirche“ ist die älteste der Stadt. Am spannendsten im ganzen Dom ist die Statue des Heiligen Georg beziehungsweise des Drachens. Die beiden stammen aus der Werkstatt des Lübecker Bildhauers Bernt Notke um 1489. Sowohl der aus Eichenholz geschnitzte Heilige als auch das Pferd wirken etwas weggetreten, während der Drache, zusammengefügt aus Elch- und Hirschgeweihen, auf so unheimliche Art lebendig scheint, dass er als eines der interessantesten Kunstwerke des Mittelalters gilt. Der Heilige Georg wird gerne als schwedischer König gelesen, der die Prinzessin Stockholm vor dem Drachen Dänemark befreit. Diese Allegorie im Hinterkopf, verstehen wir, warum uns mehrere Abgüsse der Statue in der Stadt wieder begegnen. Aber kein Drache ist so lebendig wie das Original.
Nun wird es Zeit für etwas Moderne. Nicht weit vom Dom liegt das Kulturhuset. Abends, wenn die riesige Skulptur auf dem Platz farbig leuchtet, hat das Kulturhaus zu, deshalb unbedingt tagsüber besuchen. Es gehört mit der Schwedischen Bank und einem Auditorium zu einem Komplex aus drei Gebäuden. Das Haus ist ein schönes Beispiel für Kultur für alle. Es gibt Ausstellungen, Spiele, Bibliotheken. Gebaut von Peter Celsing in kühlem Funktionalismus, erinnert es mit der offenen Struktur und der markanten Rolltreppe an das Centre Pompidou in Paris. Wir lassen die transparente Architektur auf uns wirken und fahren auf das Dach, wo ein bezahlbares Selbstbedienungscafé Zimtschnecken, Kokosbollar und andere schwedische Fika-Teilchen bietet. Von der Dachterrasse aus schauen wir über den belebten Platz.
Danach geht es vorbei am Konserthuset, wo jährlich der Nobelpreis verliehen wird. Weiter die Straße runter kommen wir auf das Kaufhaus zu, dessen Schild NK schon von Weitem zu sehen ist. Nordiska Kompaniet ist das Edelkaufhaus von Stockholm, gebaut von Ferdinand Boberg. Die Art-déco-Fassade und die Eingangshalle sind unbedingt einen Blick wert. Wer durchbummelt, erhält einen Eindruck vom klassisch-kühlen Schick, mit dem hier so viele Menschen herumlaufen.
Wir streifen noch ein wenig durch das Viertel in Richtung Skeppsholmen zum Moderna Museet von Rafael Moneo. Auf dem Weg dorthin unbedingt irgendwo nach einem Lakritzeis Ausschau halten. In Schweden gibt es unglaublich viele Sorten Lakritz. Nach einem Abstecher in den Skulpturenpark vor dem Museum mit Werken von Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely geht es hinein. Neben der Architektur und der Sammlung, die alles zu bieten hat, was Rang und Namen hat, lohnt sich der Blick in die Ausstellungen. Eine davon widmet sich bis 13. Oktober der queeren Künstlerin Vaginal Davis. Etwas müde vom Tag geht es erneut aufs Dach. Dort gibt es ein schönes Restaurant mit schwedischer Küche und wunderbarem Blick in Richtung Östermalm und Djurgården.