Wanderung durch das Ilsetal

Auf Heinrich Heines Spuren wandern wir durchs Ilsetal und passieren die einstige deutsch-deutsche Grenze. Auf der Straße der Romanik geht es dann nach Wernigerode mit seinem „Neuschwanstein des Nordens“

2. Tag

Am zweiten Tag packen wir unseren Rucksack. Denn der Harz, der sich über die drei Bundesländer Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erstreckt und mit dem Brocken den höchsten Berg Norddeutschlands aufzuweisen hat, erschließt sich einem besonders eindrucksvoll zu Fuß. Lange Jahre eher eine Destination für rüstige Rentner, lockt das Mittelgebirge nun wieder viel mehr junge Leute an. Schon den Studenten Heinrich Heine zog es auf seiner „Harzreise“ im Jahr 1824 hierhin, und für die romantischen Maler wie Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus war der Brocken Sujet und Sehnsuchtsziel.

Auf Heines Spuren werden wir heute durchs Ilsetal wandern. Von Bad Harzburg fahren wir zunächst ins nahe gelegene Ilsenburg und überqueren dabei die ehemalige innerdeutsche Grenze, die bis 1989 auch den Harz in zwei Teile trennte. Wir machen kurz Halt am Grenzdenkmal in Stapelburg, wo sich in einer durchbrochenen Mauer zwei Menschen die Hände reichen. Die kleine Plastik ist Teil des Projektes „Kunst am Grünen Band“. Auf dem ehemaligen Todesstreifen konnte sich über vier Jahrzehnte eine besonders artenreiche Flora und Fauna erhalten, und mit dem „Grünen Band“ ist eines der größten Naturschutzprojekte Europas entstanden.

Kunstreise im Harz Kloster Drübeck
Das Kloster Drübeck in Ilsenburg wurde erstmals im Jahr 960 urkundlich erwähnt. © Michael Nitzschke/imageBROKER/mauritius images

In Ilsenburg passieren wir die mächtigen Mauern des Klosters Ilsenburg, dessen Refektorium und Kapitelsaal aus dem 11. Jahrhundert zu den bedeutenden Zeugnissen romanischer Baukunst im Harz zählen. Kurz darauf erreichen wir den Wanderparkplatz am Ilsetal und befinden uns bereits inmitten des insgesamt 25 000 Hektar großen Nationalparks. Bis auf den Brocken führt der Heinrich-Heine-Weg und überwindet dabei fast 1000 Höhenmeter. Für uns geht es heute aber nur bis zu den Oberen Ilsefällen. Vom stetigen Anstieg lenkt uns die abwechslungsreiche Wegeführung des schmalen Wanderpfades ab, immer entlang der Ilse. Auf einer Schautafel am Wegesrand wird Heinrich Heine zitiert: „Es ist unbeschreibbar, mit welcher Fröhlichkeit, Naivität und Anmut die llse sich hinunterstürzt über die abenteuerlich gebildeten Felsstücke, die sie in ihrem Laufe findet, so dass das Wasser hier wild emporzischt oder schäumend überläuft, dort aus allerlei Steinspalten, wie aus vollen Gießkannen …“ Kurz hinter den Oberen Ilsefällen erreichen wir eine Hochebene, und der 1142 Meter hohe Brocken liegt direkt vor uns. Beim nächsten Mal gehen wir dort hoch, nehmen wir uns vor, während wir durchs Ilsetal zurückwandern.

Schloss Wernigerode 3 Tage Harz
Das Schloss Wernigerode im Sonnenuntergang. © Andrea Itze

Auf der Straße der Romanik fahren wir weiter in Richtung Wernigerode und machen einen Zwischenstopp am Kloster Drübeck. Das mächtige Tor in der mittelalterlichen Klostermauer ist weit geöffnet, und wir betreten die liebevoll gepflegte Anlage. Das Kloster ist heute eine Tagungs- und Begegnungsstätte. Wir stärken uns im Gärtnerhaus mit Kaffee und frisch gebackenem Kuchen, bevor wir unsere Reise fortsetzen.

Schon von Weitem sehen wir das Schloss Wernigerode, auch „Neuschwanstein des Nordens“ genannt, das über der Stadt thront. Um uns den Aufstieg zu ersparen, nehmen wir die Wernigeröder „Bimmelbahn“ und fahren an bunten Fachwerkhäusern und dem Krummelschen Haus vorbei, dessen barocke Holzfassade üppig mit Masken, Figuren und Inschriften verziert ist. Im Schloss Wernigerode, das nach schweren Verwüstungen während des Dreißigjährigen Krieges erst zum barocken Residenzschloss umgebaut und im 19. Jahrhundert durch die Grafen zu Stolberg-Werni­gerode im Stil des Historismus prunkvoll neu erfunden wurde, gäbe es fast 50 Räume zu be­sichtigen. Wir genießen diesmal einfach nur den Blick über ­Wernigerode zum Brocken, hinter dem gerade die Sonne als roter Ball untergeht.

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