Wir beginnen unseren Tag in der Stadt der Herzöge und Fürsten, bestaunen die Wieskirche in Steingaden und besuchen Neuschwanstein und das Märchenschloss Hohenschwangau
1. Tag
ShareSchwelgerische Rokokokirchen und märchenhafte Königsschlösser – geht es um Kunsterleben im Ostallgäu, dann lässt sich auf Superlative kaum verzichten. Man könnte auch sagen, ein paar Stunden dort fühlen sich an wie das Konzept für einen US-Blockbusterfilm: Das Drehbuch beginnt mit Höhepunkten. Und dann steigert es sich langsam.
Landsberg, die Stadt der Herzöge und Fürsten, ist der heitere Auftakt. Zwischen bizarren Türmen, Barockkirchen und Bürgerhäusern steht der schönste Profanbau: ein Rathaus mit Prachtfassade von Dominikus Zimmermann, der hier von 1749 bis 1754 auch Bürgermeister war.
Der Adrenalintornado packt Besucher zum ersten Mal, wenn sie auf die zwischen 1745 und 1754 nahe Steingaden einsam auf eine Bauernwiese gesetzte Pilgerkirche treffen. Mehr Rokoko, als die Wieskirche im Innern bietet, geht nicht. Die Brüder Johann Baptist und Dominikus Zimmermann – Maler und Stuckateure aus der Wessobrunner Schule – vollbrachten hier das Kunststück, aus Form und Licht in einem sich dramatisch weitenden Oval ein Meer aus Köpfen, goldenen und weißen Kartuschen und Rocailles anzurichten. Die ganze Kirche erscheint als Wimmelbild. Man ist wie weggeblasen: Erst durch den Effekt der stillen Landschaft draußen. Dann vom Überschwang und der Fülle der Motive des Innenraums. Die Unesco kürte die Struktur aus goldenen Stuckgirlanden und kunstvollem Trompe-l’Œil schon vor 40 Jahren zum Welterbe. Das Kuppelfresko mit dem auf dem Regenbogen sitzenden Jesus und die Raumschale auf elliptischer Grundfläche und acht Doppelpfeilern sind vielleicht die größten Einzelleistungen.
Ab Steingaden krönen im Süden Zugspitze und Co. das Panorama. Bald schon wird linker Hand das bekannteste deutsche Schloss sichtbar sein. Ludwig II. hat es ab 1869 im Stil einer mittelalterlichen Ritterburg vom Bühnenmaler Christian Jank bauen lassen. Rund 1,4 Millionen Menschen besuchen Neuschwanstein jedes Jahr. Bis Sommer 2023 müssen sie sich mit den Prunkräumen begnügen, denn die Wohnräume des Königs und die Grotte werden restauriert. Ob vier Wittelsbacher Schlösser bald auch Weltkulturerbe sind, entscheidet die Unesco 2025.
Die Neuheit im benachbarten zweiten Märchenschloss Hohenschwangau ist eine Themenführung zu über 90 Wandgemälden mit mittelalterlichen Sagen und Legenden, die Ludwigs Kindheit prägten. Sein Vater Maximilian II. kaufte 1832 Reste einer Burg und ließ seinen Architektur- und Theatermaler Domenico Quaglio darüber in neugotischem Stil das heutige Hohenschwangau errichten. Die bayerische Königsfamilie nutzte es als Sommerschloss und für Ritterspiele. Im Schlossladen gibt es neben Andenken auch Kinderbücher.
Das Hohe Schloss über der Altstadt von Füssen ist weniger bekannt. Hinter den um 1500 aufgebrachten Illusionsmalereien des Hofs stecken heute die Städtische Galerie und eine Filiale der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Sie bringt spätgotische Tafeln und Skulpturen von Allgäuer und bayerisch-schwäbischen Meistern zu Gesicht. Sehr einprägsam ist ein Augsburger Christus als Salvator Mundi auf Goldgrund von 1494.
Zum Abschluss des Kunsttages fahren wir in die alpine Höhe von Pfronten zu einer überraschenden Scheinkuppel. Der fürstbischöfliche Hofmaler Joseph Keller hat sie bis 1788 als Deckenfresko über das flache Langhaus der Nikolauskirche gezaubert. Dieses Trompe-l’Œil beeindruckt tief – eine Entdeckung, auf die sich im Braugasthof Falkenstein mit einem Dunkelbier anstoßen lässt.