Wir besichtigen das von Henry van de Velde gestaltete Museum Neues Weimar, genehmigen uns im Weimarhallenpark eine Bauhaus-Pause und beenden unseren zweiten Tag in der Weinbar
2. Tag
ShareIn der Seifengasse hinterm Goethehaus liegt in der Morgensonne das gemütlichste Hotel der Stadt, das Familienhotel. Die Außenfassade des Holz-Lehm-Baus ist bis zum Dach mit Efeu und Wein berankt. Im Hotelrestaurant, dem Gretchen, gönnen wir uns das Frühstücksbüfett. Auch das Abendessen ist hier exzellent, man sollte nur zeitig einen der zehn Tische reservieren. Nach dem Frühstück spazieren wir durch die schläfrige Fußgängerzone zum Museum Neues Weimar.
Das Haus am Jorge-Semprún-Platz wurde Mitte des 19. Jahrhunderts als einer der ersten deutschen Museumsbauten realisiert. Der spätere Bauhaus-Direktor Henry van de Velde gestaltete es um, im frühen 20. Jahrhundert stellte man hier Avantgardisten aus, Aktzeichnungen von Auguste Rodin sorgten für einen Skandal. Die Nazis gemeindeten den Bau in ihr nebenan geplantes Gauforum ein.
Die NS-Zeit und das über der Stadt auf dem Ettersberg gelegene Konzentrationslager Buchenwald waren nach 1945 unten in Weimar lange kaum präsent. Immerhin: Im Goethe-Museum wird inzwischen erwähnt, dass Zwangsarbeiter die Kisten fertigen mussten, in denen Goethes Sammlungen evakuiert wurden. Um den Bahnhof und die Museen sind seit vier Jahren 22 großformatige Porträts von KZ-Überlebenden unter dem Titel „Die Zeugen“ aufgestellt, die der Weimarer Thomas Müller fotografiert hat.
Ein auf dem alten Gauforums-Komplex geplantes Museum für Zwangsarbeit soll bald eröffnet werden. Wer sich mit Buchenwald auseinandersetzen will, sollte sich dafür mehr als einen halben Tag Zeit nehmen, etwa für den neuen Audiowalk „Der Bauhäusler Franz Ehrlich in Buchenwald“.
Auch im Museum Neues Weimar klingen die Vorläufer des Grauens in manchen Räumen an, etwa im Saal, der sich dem Nietzsche-Kult widmet. Das Museum erzählt den Weg der Stadt in die Moderne anhand von Persönlichkeiten wie Nietzsche und Harry Graf Kessler, der unter anderem den Maler Max Beckmann förderte. Oder eben van de Velde, der von Weimar aus seinen „Kampf gegen die Verhässlichung“ kämpfte. Wer das Bauhaus als Bewegung verstehen will, sollte hier anfangen, wo sich Beckmanns „Junge Männer am Meer“ und van Rysselberghes „Badende Frauen“ schelmische Blicke zuwerfen. Am Eingang interveniert kindlich-heiter Pipilotti Rists Installation „Das Zimmer“.
Aus allen möglichen Winkeln wird das Bauhaus im jüngsten Museum der Stadt erzählt, dem 2019 zum 100. Gründungsjubiläum eröffneten Bauhaus-Museum um die Ecke. Wie ist die Design- und Kunstschule entstanden und untergegangen, wie wirkt sie ins Heute? Im Kubusbau des Museums fühlt man sich schnell wie in einem Geldspeicher, voll bis obenhin mit Originalität: Likörkännchen aus der Metallwerkstatt, Silberdistelstudien aus Johannes Ittens Vorkurs, Meisterwerke von Klee und Kandinsky neben den Arbeiten ihrer Studierenden.
Dieser Reichtum wirkt schnell erschlagend, zumal die aktuelle Ausstellung „Wege nach Utopia: Wohnen zwischen Sehnsucht und Krise“ in die Dauerausstellung hineingebaut ist.
Bauhaus-Break im Weimarhallenpark: Im Gärtnerhaus des Parks, einer flamingofarbenen Villa, liegt die Galerie Eigenheim, die sich seit fast 20 Jahren als Schnittstelle zwischen Hochkultur und Subkultur versteht. Ein Abstecher zum in Weimar berühmten Kuchenbäcker Koriat an der Herz-Jesu-Kirche, dann übergeben wir an die Studierenden der Bauhaus-Uni. Hinter dem von van de Velde geplanten Uni-Hauptgebäude beginnt im Sommer mittwochs, freitags und samstags um 14 Uhr der Bauhaus-Spaziergang. Die Guides, angehende Kulturwissenschaftler, Künstlerinnen oder Architekten, erzählen die Geschichte des Bauhauses und der Uni aus ihrer Perspektive. Der längere, zweieinhalbstündige Spaziergang führt durch den Park zum visionären Haus am Horn.
Sie sehen nach diesem langen Tag nur noch gelbe Dreiecke und blaue Kreise? Dann sollten Sie in die Weinbar einkehren und sich bis weit nach Sonnenuntergang dem Thüringer Rehrücken oder der weltumspannenden Weinkarte widmen.