Mannheim wird gern unterschätzt, doch nicht nur die Kunsthalle der Industriestadt ist einen Besuch wert
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Auch wenn die Kurpfalz von Heidelbergs Mythos und Strahlkraft lebt, so ist sie in der Geschichte wie in der Gegenwart ohne Mannheim nicht denkbar. Darum gehört unser zweiter Tag dieser gern unterschätzten Stadt. Mit dem Auto wie mit der S-Bahn sind wir in zwanzig Minuten dort. Wo der Neckar in den Rhein mündet, errichtete Kurfürst Friedrich IV. 1606 eine Zitadelle. Das benachbarte Dorf Mannheim verwandelte sich in eine Stadt mit rechtwinklig gekreuzten Straßen. Der Schachbrettgrundriss prägt die „Quadratestadt“ bis heute, und statt Straßennamen gibt es Koordinaten, etwa B3 oder O5. Wie Heidelberg fiel auch Mannheim 1689 dem Pfälzischen Erbfolgekrieg zum Opfer. Danach wurde die Stadt noch prächtiger wiederaufgebaut – vor allem, als Kurfürst Carl Philipp die Residenz hierher verlegte und mit dem Bau eines gewaltigen Schlosses begann. Am Ende wurde es die zweitgrößte Anlage Europas, nach Versailles.
Wir beginnen unseren Tag daher mit dem Schloss, denn hier erschließt sich am besten die glanzvolle Geschichte von Mannheim, die vor allem mit dem kunstsinnigen, seit 1742 regierenden Kurfürst Carl Theodor verbunden ist. Er pflegte Schauspiel, Musik und die bildenden Künste. „So wie ich Mannheim liebe, so liebt auch Mannheim mich“, schrieb der junge Mozart beglückt während eines monatelangen Aufenthalts dort. Leider erlitt das Schloss wie die ganze Stadt schlimme Schäden im Zweiten Weltkrieg. Heute sitzt hier die Universität Mannheim, und das Innere ist weitgehend modern. Aber der Mitteltrakt an dem weiten Ehrenhof wurde aufwendig rekonstruiert, sodass die Beletage, fürstliche Appartements und das enorme Treppenhaus zu besichtigen sind.
Nach einem Zwischenstopp in der schönen Jesuitenkirche vertiefen wir die Manneimer Kunstgeschichte im Museum Zeughaus. Schwerpunkte sind die Antike, sakrale Kunst, Porzellan aus der kurpfälzischen Manufaktur Frankenthal, aber auch sehr gute Fotografie- und Theaterabteilungen. Im Museum Weltkulturen ist die altägyptische Sammlungen eine Hauptattraktion. Danach rasten wir im Café Prag, hier sitzt es sich gemütlich in einem Hauch von K.u.k.-Flair. Eine andere Option ist die traditionsreiche Konditorei Herrdegen. Hier gibt es exzellenten Kuchen, nicht zu vergessen den „Mannemer Dreck“, den man sich als eine Art Lebkuchen vorstellen muss. Beim anschließenden Gang durch die Innenstadt bedauert man den fast völligen Verlust der alten Bausubstanz im Zweiten Weltkrieg, aber das strenge Quadratraster verleiht der Stadt immer noch einen ganz eigenen Charme.
Das Wahrzeichen Mannheims ist der wuchtige Wasserturm von 1885/86 am Friedrichsplatz mit seinen Arkadenhäusern und vor allem der Kunsthalle. Mit Manets monumentaler „Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“, die allein die Reise nach Mannheim wert ist, besitzt das Museum ein weltberühmtes Gemälde. Und Hermann Billings 1907 errichteter Bau, der in seiner Silhouette ein bisschen an ein U-Boot erinnert, gehört zu den eigenwilligsten Jugendstilarchitekturen in Deutschland. Die bedeutendsten Schätze hat das Haus in der französischen und deutschen Moderne, aber seit der Einweihung des Neubautrakts Platzrondell mit einem gewaltigen Atrium spielt auch die Gegenwartskunst eine zentrale Rolle.
Nun geht es über den Rhein ins benachbarte Ludwigshafen. Die Industriestadt mit der größten Chemiefabrik der Welt, der BASF (Badische Anilin- und Sodafabrik), hat trotz des coolen „Tatort“ mit Kommissarin Lena Odenthal alias Ulrike Folkerts ziemlich mit ihrem Image zu kämpfen. Lohnend ist aber auf alle Fälle das Wilhelm-Hack-Museum, vor allem wegen der exzellenten Sammlung der klassischen Moderne, darunter Meisterwerke der russischen Avantgarde und der konkreten Kunst. Aber auch das ambitionierte Ausstellungsprogramm lohnt immer wieder die Anfahrt.
Vor der Rückkehr nach Heidelberg nutzen wir das reiche gastronomische Angebot in Mannheim. Das reicht vom sternegekrönten Opus V bis populären Waldpforte am Stadtrand.