Karl Lagerfeld bei Sotheby’s

Der Herr der Dinge

Karl Lagerfeld war weit mehr als nur ein großer Modeschöpfer. Er war ein Connaisseur und Sammler, der mithilfe von Kunst und Design immer wieder neue Welten erfand. Sotheby’s versteigert nun seinen Nachlass

Von Sabine Spindler
03.12.2021
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 193

Jetzt gehören sie zu den 1200 Stücken des Lagerfeld-Nachlasses, die Sotheby’s im Dezember in Monaco und Paris und im Frühjahr in Köln versteigert. Der erste Teil in Monaco animierte die Käufer bereits zu einem Feuerwerk von Bietergefechten. Vieles verdoppelte, verfünffachte und verzehnfachte die Taxen. Newsons weich wirkende Sitzskulptur, die nur zwölfmal ausgeführt wurde, kommt in Paris dran und ist mit 40.000 bis 60.000 Euro angesetzt. Bei Szekelys Entwürfen wird für einen auf stämmigen Säulen ruhenden Esstisch von 2014 mindestens 20.000 bis 30.000 Euro erwartet. Sotheby’s umschreibt die Auktion, in der auch Silberkelche des Jugendstildesigners Georg Jensen und Jeff Koons’ „Dom Pérignon Balloon Venus“ in Pink aufgerufen werden, als eine „Anthologie seines Geschmacks“. Ob ihm dieser Begriff gefallen hätte? „Ich hasse alles, was mit Erinnerung zu tun hat. Finis und Aus.“ Aber ein Mann, der nie die Kontrolle verlor, geht nicht ohne Testament aus dem Leben. Seine Katze Choupette ist darin übrigens großzügig bedacht.

Lagerfeld Nachlass Auktion Richard Riemerschmid Karl Mehlem
Lagerfelds Steingutgefäße von Richard Riemerschmid und Karl Mehlem ließen in Monaco die Taxe von 4000 Euro schnell hinter sich und erzielten samt Aufgeld 15.200 Euro. © West Image/Art Digital Studio

Das kleine Schloss in Louveciennes, unweit von Paris, war Lagerfelds letzte Traumwelt. Ein Kondensat seiner Leidenschaften. Ein Seelenspiegel des späten Modezaren. Es erzählt unmissverständlich, dass nach dem luxuriösen Anciene-Régime-Rausch und den extravaganten Möbeln einer Eileen Gray, die einige Museen 1991 in einer Sotheby’s-Auktion für Höchstpreise erwarben, die Faszination des reifen Lagerfelds auch für das deutsche Art déco nicht geringer geworden ist. Für die Designgeschichte mögen die seltenen gelb und grün lackierten Möbel von Bruno Paul keine Inkunabeln sein, für Karl Lagerfeld bringen die nun moderat auf 800 bis 1200 Euro geschätzten Möbel den Höhepunkt eines geistreichen, modernen Deutschlands zum Ausdruck. Gekauft hatte er sie für das 2006 eingerichtete New Yorker Apartment, das er nach fünf Jahren wieder verließ. Er hätte sie wie die elitäre Zwanzigerjahre-Sammlung seiner Biarritzer Villa Elhorria zur Auktion geben können.

Trennungsschmerz kannte Lagerfeld kaum. „Ich wechsle Kleider, Möbel, Wohnungen, Kollektionen. Im Leben geht es um Veränderung. Es gibt einen Moment, in dem die Dinge einfach nicht besser werden können“, sagte er einmal. Der Biarritz-Verkauf erbrachte 2003 sieben Millionen Euro – Lagerfelds Image als Connaisseur trieb die Preise nach oben. Doch die Werke des Architekten, Karikaturisten und Möbelentwerfers Bruno Paul behielt er. Das war Avantgarde aus Berlin. Der Deutsche Werkbund, den Paul 1907 mitbegründet hatte, war in Lagerfelds Augen eine Bewegung, die noch vor dem Bauhaus die Moderne nach Deutschland brachte.

Lagerfeld Auktion Villa Louveciennes Möbel
Antikisierender Stilmix in Karl Lagerfelds Villa in Louveciennes bei Paris: Die Tische und Stühle entwarf der Amerikaner Terence Harold Robsjohn-Gibbings. Der Kronleuchter, von Christian Lava für Terzani gestaltet, sprang von 4000 auf 88.200 Euro brutto. Die Deckenleuchte im Vordergrund schuf Armand-Albert Rateau um 1925, sie war dem Käufer 47.900 Euro wert. © Louis Blancard/Art Digital Studio/Sotheby's

Von New York zogen auch die deutschen Plakate in die Villa in Louveciennes. Jahrzehnte sammelte er die Werbegrafiken aus der Zeit zwischen 1900 und 1920. Die klare Bildsprache, die Harmonie zwischen Design und Typografie – „Das war wie Pop-Art, nur ein halbes Jahrhundert früher“, so der gebürtige Hamburger 2014 im Gespräch mit der weltkunst. Ganz besonders schätzte er die Arbeiten von Ludwig Hohlwein. Stolz war er auf die deutsche Premierenankündigung zum Kult-Stummfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“. Es ist das einzige noch existierende Exemplar. Die Erwartungen liegen zwischen 80.000 und 120.000 Euro.

Lagerfelds verschiedene Domizile und seine permanenten Verwandlungen wurden auch zur Kulisse für seine Modekampagnen, deren Shoots er ab 1987 übernahm. Und manchmal posierte er selbst in seinen inszenierten Tableaus wie ein dandyhafter Popstar, ließ sich fotografieren und interviewen, um dem Gesicht hinter Chanel und Fendi und Chloé, für die er parallel arbeitete, das Image eines geistreichen Paradiesvogels zu geben. Das war nicht nur Eitelkeit. Die Modeszene war schon um 1980 eine Kampfarena der Schönen und Kreativen. Lagerfelds herausfordernder Kontrahent hieß Yves Saint Laurent. Während der schüchterne Franzose ganz Paris mit einem Smoking für Damen begeisterte, verkaufte sich der wortgewandte Deutsche als Verfechter des Schrägen, Frechen, Unkonventionellen.

So auch im Jahr 1981 im Memphis-Showroom in Mailand. Die Designer um Ettore Sottsas kämpften noch um Anerkennung und ums Überleben, doch Karl Lagerfeld witterte einen Hauch Avantgarde und Stilinnovation. Er ließ sich die ganze Kollektion nach Monte Carlo schicken, für umgerechnet 65.000 Mark. Zwischen bunten Regalen gab Lagerfeld damals in karierten oder blütenweißen Sakkos Interviews und lud zu Homestorys ein. Die Liebe zu Memphis war nach zehn Jahren abgenutzt. Die Erfolgskurve des Designs aber stieg. Sotheby’s versteigerte die Sammlung für fast das Achtfache.

Lagerfeld Auktion Choupette-Figur Joana Vasconcelos
Die mit Spitze besetzte Choupette-Figur der Künstlerin Joana Vasconcelos hat bei Sotheby’s mit Aufgeld 20.200 Euro erzielt. © Sothebys/ArtDigital Studio

Ein wenig von Lagerfelds glanzvollem Aufstieg zum Kaiser der Modewelt, der von der Suche nach Schönem getrieben wurde, weil er Hässlichkeit nicht ertragen konnte, haftet auch an den Losen der Sotheby’s-Auktion. An der mit Spitze besetzten Choupette-Figur der Künstlerin Joana Vasconcelos etwa, die in Monaco von geschätzten 5000 Euro auf 20.200 Euro kletterte, aber auch an den wenigen Gemälden wie etwa Charles Alphonse Dufresnoys frühbarocke Leinwand „Rinaldo verlässt Armida“ zum Schätzpreis von 50.000 bis 70.000 Euro oder Takashi Murakamis Lagerfeld-Porträt von 2014, das die mindestens erwarteten 80.000 Euro locker hinter sich ließ und am Ende bei 299.000 Euro landete. Nur Lagerfelds eigene Fotografien, mit denen er in Museen Erfolge feierte, sind nicht vertreten. Die 80.000 Negative mitsamt den Rechten, heißt es, hat er dem Chanel-Bilddirektor Éric Pfrunder vermacht.

Karl Lagerfeld hat etwas geschafft, was andere Couturiers nicht erreicht haben. Die schwarze Sonnenbrille und der weiß gepuderte Haarschopf haben ihn zur Popikone der Modewelt gemacht. Er ist eine Marke. Nein, er ist mehr. Sein Leben ist ein Gesamtkunstwerk.

(Aktualisierung des Texts am 6.12.2021)

Service

AUKTION

„KARL, Karl Lagerfeld’s Estate“, Sotheby’s

Live-Auktionen:
Monaco, 3. bis 5. Dezember
Paris, 14. bis 15. Dezember

Online-Auktion:
Köln, Frühjahr 2022

sothebys.com

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