Im Auktionsjahr 2021 waren bei den Alten Meistern Werke der Gotik und Renaissance bevorzugt gefragt. Abgesehen von großen Namen führten ungewöhnliche Sujets oft zu hohen Preisen
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28.12.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 20
Die alten Zeiten sind auch für die Alten Meister vorbei. Seit den Achtzigerjahren, als die Sparte – erst durch die Impressionisten, dann durch die Zeitgenossen – von der Spitze des Kunstmarkts verdrängt wurde, schwang bei einer solchen Feststellung noch Melancholie mit. Inzwischen aber signalisieren Worte wie diese, dass man begriffen hat: Gegenwartsbezug und Zukunftsgewandtheit sind auch beim Handel mit alter Kunst gefragt – auch wenn in den Augen vieler noch immer Nostalgie und Konservativismus das Image dieses Sektors prägen.
Der Zeitgeist aber ist da schon etwas weiter. Nicht nur kann der Opernregisseur Barrie Kosky Richard Wagner erfolgreich modernisieren – auch die Alten Meister haben inzwischen eine Lobby, die sich geradezu als Verneinung des Konservativen oder gar Restaurativen gebiert. So war bereits zu Beginn des Jahres eine Kollektion ausverkauft, die Sotheby’s zusammen mit Highsnobiety aufgelegt hatte – Alte Meister auf Hoodies und T-Shirts. Der Erfolg der Kollaboration zwischen dem (vor allem digital verbreiteten) Magazin und dem Auktionshaus belegt, dass Alte Meister durchaus hip sein können.
Im Kunstmarkt geht der Trend nach wie vor zu den älteren unter den Alten Meistern: Gotik und Renaissance sind bevorzugt gefragt. Am Beginn des Jahres stand der Verkauf des „Porträts eines Jünglings“ von Botticelli bei Sotheby’s New York, das am 28. Januar bei 80 Millionen Dollar zugeschlagen wurde. Nach dem nur schwer zu knackenden und etwas speziellen Rekord für den Leonardo zugeschriebenen „Salvator Mundi“ ist die Tafel damit die zweitteuerste im Altmeistersektor. Und bei Weitem der teuerste Botticelli. Bis dahin war die „Rockefeller-Madonna“, die am 30. Januar 2013 bei Christie’s New York von 5 auf 9,25 Millionen Dollar gehoben wurde, das am höchsten bewertete Bild des Künstlers gewesen.
Die Ausstellung „Sklaverei“ im Amsterdamer Rijksmuseum lenkt anhand von bildender Kunst und anderen Objekten den Blick noch bis 22. Februar auf ein System der Unterdrückung, das den Niederlanden überhaupt erst ermöglichte, Reichtum aufzubauen – und mit ihm ein „Goldenes Jahrhundert“ in der Malerei zu erleben. Und auch im Kunsthandel erwacht allmählich das Interesse an einer Erweiterung des Horizonts über die eurozentristische Welt hinaus. Ein Beispiel dafür ist das Bildnis eines nicht namentlich bekannten afrikanischen Soldaten, das am 30. März bei Bonhams in London in der Auktion „Islamic and Indian Art“ mit 100.000 Pfund aufgerufen wurde. Die Malerei des ebenfalls unbekannten, wohl persischen Künstlers aus Isfahan ist eigenwillig – und daher wohl eher nicht der Grund dafür gewesen, dass der Hammer erst bei 300.000 Pfund fiel. Spannend an diesem Gemälde von circa 1680/90 ist eher die frühe Darstellung eines Afrikaners außerhalb der Hauptstädte europäischer Kolonisten, die in den Jahrhunderten der Alten Meister ihre Interessen rücksichtslos in der ganzen Welt verfolgt und entsprechende Spuren hinterlassen haben.
Einen Rekord für Adélaïde Labille-Guiard gab es in der Auktion „Women in Art“ am 16. Juni bei Christie’s Paris. Das „Bildnis der Madame Charles Mitoire mit ihren Kindern“, das sie 1783 als Pastell angefertigt hat, wurde mit 520.000 Euro zugeschlagen. Erfolgreicher Bieter war das Getty-Museum, das die Taxe damit mehr als verfünffachte. Ein Grund für diesen hochpreisigen Ankauf war nach Auskunft des Museums die moderne Auffassung der Mutterschaft. Die Darstellung einer Frau, die ihren Säugling in Gegenwart des älteren Geschwisters stillt, ist tatsächlich für das auslaufende Rokoko ungewöhnliche und erinnert an heutige Debatten über das Stillen in der Öffentlichkeit. Das Bild Labille-Guiards war aber nicht der einzige außergewöhnliche Zuschlag in dieser bemerkenswerten Auktion. Von Lavinia Fontana kam ein ganzfiguriges Bildnis eines „Jungen mit Hund“ zum Aufruf, das 130.000 Euro erzielte und seine Schätzung damit mehr als verdoppelte.