Das vergangene Kunstmarktjahr war geprägt von Innovationen und Rekorden, und der asiatische Markt wird immer wichtiger. Die Malerei bleibt das vorherrschende Medium, NFTs sind mittlerweile stärker als die Fotografie
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04.02.2022
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Kunst und Auktionen 2/22
Nach neuesten Erkenntnissen von Artprice, der weltweit größten Preisdatenbank für Auktionen, realisierten New York und Hongkong allein rund 60 Prozent der Verkäufe (London war bereits im vergangenen Jahr durch den Brexit abgeschlagen). Insgesamt standen Angebot und Nachfrage in einem recht guten Verhältnis: 70 Prozent der offerierten Lose fanden auch Käufer. Im Markt der Zeitgenossen war die Malerei klar die wichtigste Disziplin, die rund 2 Milliarden Dollar beziehungsweise 73 Prozent des Gesamtumsatzes realisierte. Der Non-Fungible-Token (NFT), das neue Medium, erzielte in der Kategorie über 1 Million Dollar bei insgesamt neun Ergebnissen, aber bereits dreimal mehr als beispielsweise die Fotografie.
Der asiatische Markt wird für die zeitgenössische Kunst immer wichtiger – auch für westliche Künstler. Nach einem schwierigen Vorjahr verzeichneten China, Hongkong und Taiwan nun wieder starke Umsätze. Ihr gemeinsamer Beitrag zum globalen Markt für Zeitgenossen betrug etwa 1 Milliarde Dollar. Mit rund 130 Werken, die über 1 Million Dollar kletterten, war Hongkong die treibende Kraft im fernöstlichen Raum – eine Zahl, die selbst in den Vereinigten Staaten nicht erreicht wurde.
Diese Entwicklung hat das Auktionshaus Phillips 2020 veranlasst, mit dem chinesischen Unternehmen Poly International – dem viertgrößten Auktionshaus der Welt – zu kooperieren. Im Juni 2021 wurden in einer gemeinsamen Versteigerung in Hongkong dann für nahezu zwanzig Künstler Rekorde aufgestellt – bei einer sensationell guten Online-Beteiligung von 800 Bietern und einer Verkaufsquote von 86 Prozent. Bislang hat sich diese Zusammenarbeit, während der 418 Lose angeboten und 384 abgesetzt wurden (Durchschnittserlös 389.949 Euro), als sehr effektiv herausgestellt. Für die großen europäischen Auktionshäuser könnte dies ein Modell werden, um den lukrativen asiatischen Markt aufzurollen.
Die ehemalige britische Kolonie avanciert zudem zum Hauptmarkt für Basquiats beste Werke, da die Käufer hierfür heute vor allem in Asien sitzen. In Hongkong erzielten bedeutende Gemälde des Künstlers, die bei Christie’s und Sotheby’s zum Aufruf kamen, zusammen mehr als 200 Millionen Dollar – darunter „In This Case“ von 1983. 2020 waren mehr als 90 Prozent des Basquiat-Umsatzes noch in London und New York erwirtschaftet worden. Ähnliches gilt für die Arbeiten von Richard Prince, dessen „Runaway Nurse“ am 18. Juni 2021 bei Sotheby’s Hongkong umgerechnet rund 8,7 Millionen Euro verbuchte. Vergleichbare Werke hatten fünf Jahre zuvor in New York nur maximal 2,4 Millionen Dollar eingespielt.
Im Sektor Moderne und Zeitgenossen hatte Sotheby’s im vergangenen Jahr die Nase vorn. Nach Gesamterlösen präsentiert sich das Auktionshaus bei 310 durchgeführten Auktionen mit rund 3,77 Milliarden Euro Umsatz erstmals seit Jahren vor seinem Mitbewerber Christie’s mit 3,42 Milliarden, der allerdings nur 217 Auktionen abhielt. Bei Sotheby’s stieg das Volumen der Transaktionen zwischen 5 und 50 Millionen Dollar von 91 im Jahr 2020 auf 158 an. Möglich wurde dies unter anderem durch die Strategie, das Angebot dorthin zu verlagern, wo man die Kunden dafür antrifft. So versteigerte das Haus nach Wiederaufnahme der Präsenzauktionen im Oktober beispielsweise in Las Vegas sehr erfolgreich elf Picassos aus der MGM Resorts Fine Art Collection; und die Auktion eines Teils der Karl-Lagerfeld-Sammlung kam im Dezember in Monaco zum Aufruf.
Auch die größte Akquisition des Jahres 2021 im Bereich Moderne gelang Sotheby’s: Die über fünfzig Jahre hinweg aufgebaute „Macklowe Collection“ erzielte am 15. November in New York einen Gesamterlös von 676,1 Millionen Dollar. Sie bestand aus marktfrischen Meisterwerken der wichtigsten Künstler der vergangenen achtzig Jahre. Zu den Höhepunkten des Evening-Sales gehörte das Gemälde „No. 7“ von Mark Rothko, das für 77,5 Millionen Dollar verkauft wurde. Oder auch Alberto Giacomettis „Le Nez“, das 68 Millionen Dollar brachte, sowie Jackson Pollocks „Number 17“ von 1951, das seine Schätzung mit einem Zuschlag bei 53 Millionen Dollar mehr als verdoppelte und damit einen neuen Künstlerrekord etablierte.
Mit China Guardian (knapp 547 Millionen Euro Umsatz in fünfzig Auktionen) sowie Poly Auction (knapp 535 Millionen Euro Umsatz in 31 Auktionen) nehmen die führenden Häuser Chinas im internationalen Ranking Platz 3 und Platz 4 ein. Die beiden Londoner Traditionshäuser Phillips (454,36 Millionen Euro Umsatz in 52 Auktionen, Platz 5) und Bonhams (232,11 Millionen Euro Umsatz in 222 Auktionen, Platz 6) haben mit den Folgen des Brexits zu kämpfen. Die Kombination „Phillips & Poly“, die bei vier Auktionen 150 Millionen Euro Umsatz erzielte, belegt Platz 7.