Kunstmarkt Moderne und Zeitgenossen

Der Höhenflug hält an

Das vergangene Kunstmarktjahr war geprägt von Innovationen und Rekorden, und der asiatische Markt wird immer wichtiger. Die Malerei bleibt das vorherrschende Medium, NFTs sind mittlerweile stärker als die Fotografie

Von Sebastian Strenger
04.02.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen 2/22

Auch 2021 konnte sich Ketterer aus München mit 83,31 Millionen Euro Umsatz (Rang 13) als stärkstes deutsches Auktionshaus des Sektors positionieren – vor Grisebach aus Berlin (Rang 19) mit Gesamterlösen von 51,39 Millionen Euro und den Kölner Häusern Van Ham mit 31,13 Millionen Euro (Rang 30) und Lempertz (Rang 33) mit 29,22 Millionen Euro. Aus der Sammlung der Deutschen Bank kam „Doppelspindel-Rot“, eines der letzten Bilder Ernst Wilhelm Nays von 1967, am 18. Juni bei Ketterer zum Aufruf und knackte dort mit dem Zuschlag bei 1,8 Millionen Euro (Taxe 200.000 Euro) fast den Weltrekord von 2017. Bei Grisebach wurde Emil Noldes Spätwerk „Meer (I)“ von 1947 am 2. Dezember von 1 auf 2,3 Millionen Euro gehoben. Lempertz konnte am 17. Juni einen Rekordpreis für den tschechischen Maler Zdeněk Sýkora aufstellen, dessen „Linien Nr. 31“ von 1985 860.000 Euro einbrachten, während Van Ham mit dem Zuschlag von 1,7 Millionen Euro einen Tag zuvor für Andy Warhols vollständige Reihe „Flowers“ eine Verdoppelung des bisherigen Auktionsrekords erzielte.

Im deutschsprachigen Raum bleibt zudem das österreichische Dorotheum mit einem Gesamterlös von nahezu 71,7 Millionen Euro (Rang 15) für Kunst nach 1900 ein wichtiger Faktor. Nach langen Jahren eines Angebotsüberhangs bei italienischer Kunst des 20. Jahrhunderts, konzentrierte sich das Haus 2021 wieder mehr auf die erstklassigen Positionen aus Österreich. Einen Weltrekordpreis lieferte Maria Lassnigs Leinwand „Wilde Tiere sind gefährdet“ von 1980, die am 23. Juni von 600.000 auf 1,15 Millionen Euro kletterte.

Rückblick Moderne und zeitgenössische Malerei, Maria Lassnig, Dorotheum, Wien
Einen Weltrekordpreis lieferte Maria Lassnigs Leinwand „Wilde Tiere sind gefährdet“ von 1980, die am 23. Juni 2021 im Dorotheum von 600.000 auf 1,15 Millionen Euro kletterte. © Dorotheum, Wien

In der Schweiz sind die führenden Häuser die Galerie Kornfeld aus Bern mit 63,90 Millionen Euro Umsatz (Rang 17) und Koller aus Zürich mit nahezu 47,86 Millionen Euro (Rang 20), die traditionell einen Überhang im Angebot eidgenössischer Kunst aufweisen. Hier gab es große Preissprüngen für Ferdinand Hodler aber auch für den Zeitgenossen Not Vital aus dem Engadin.

Der Brexit hat den Marktplatz Frankreich nach vorne gespült. Das zeigt sich auch daran, dass die Art Basel einen neuen Ableger in Paris bekommen wird. In der Hauptstadt dominieren neben den Dependancen der großen internationalen Häuser vor allem die französischen Player Artcurial mit Gesamterlösen von 77,94 Millionen Euro (Rang 14) sowie Millon & Associés mit 31,62 Millionen Euro (Rang 29). In den skandinavischen Ländern gehörte die Führungsrolle 2021 dem 1870 gegründeten Auktionshaus Bukowskis in Stockholm, das soeben von Bonhams aufgekauft wurde und 45,24 Millionen Euro Umsatz (Rang 22) erzielte. Und in Osteuropa schließlich hat Desa Unicum aus Warschau mit einem Gesamterlös von 59,10 Millionen Euro (Rang 18) die Nase vorn.

Rückblick Moderne und zeitgenössische Malerei, Hamid Nii Nortey, Galerie Kandlhofer, Wien
Der ghanaische Maler Hamid Nii Nortey, einer der Jungstars der Szene, ist bis 15. März mit seinen Werken in einer Soloshow der Galerie Kandlhofer zu sehen – unter anderem mit dem großformatigen Acrylbild „The Great Migration 2“ von 2021. Courtesy: Galerie Kandlhofer, Wien.

Insgesamt war im vergangenen Jahr zu beobachten, dass neben den nach wie vor dominanten amerikanischen und europäischen Positionen zunehmend auch Arbeiten aus bisher weniger in Erscheinung getretenen Ländern gefragt waren – von Künstlern wie Nicolas Party (Schweiz), Salman Toor (Pakistan), Amoako Boafo (Ghana) und Toyin Ojih Odutola (Nigeria). Vor allem afrikanische, afroamerikanische und afrobritische Positionen standen im Fokus – die Bewegung „Black Live Matters“ hat sicherlich ein Stück weit zu dieser längst überfälligen Kurskorrektur beigetragen. Begehrt waren nach wie vor auch feministische Positionen. Summa summarum kann man sagen: Der Kunstkanon verändert sich zwar – aber die führenden Positionen können sich nach wie vor behaupten. Für Einsteiger bieten sich vor allem noch Chancen bei Jungstars. Etwa bei der 28-jährigen Kudzanai-Violet Hwami (Miro, London) oder beim ghanaischen Maler Nii Nortey Hamid (Kandlhofer,Wien).

Kunstmarkt Moderne und zeitgenössische Malerei, Toyin Ojih Odutola, Sotheby’s, New York
Afrikanische, afroamerikanische und afrobritische Positionen standen im Fokus – beispielsweise Werke von Toyin Ojih Odutola aus Nigeria. „Through Line“, eine ihrer großformatigen Papierarbeiten, erzielte am 18. November 2021 bei Sotheby’s 1,8 Millionen Dollar. © Sotheby’s, New York

Das Jahr 2021 war auch geprägt vom digitalen Kunstboom. Noch kann man nicht sagen, ob es sich bei NFT-Kunst und Kryptowährungen um eine Kunstmarktrevolution oder um eine Blase handelt. Der 11. März, als Beeples (alias Mike Winkelmann) NFT „Everydays: Die ersten 5000 Tage“ bei Christie’s versteigert wurde, war für den Sektor aber jedenfalls ein Türöffner. Durch den Preis von 69,3 Millionen Dollar, für den der indische Millionär Vignesh Sundaresan nichts weiter als eine Codezeile der Arbeit kaufte, stieg der bis dato unbekannte Winkelmann in eine Liga mit den teuersten lebenden Künstlern Jeff Koons und David Hockney auf. Nach Angaben des Auktionshauses hatten sich 22 Millionen Menschen – davon 60 Prozent unter 40 Jahren – zur Versteigerung von „The First 5000 Days“ angemeldet. Bislang hält die Euphorie für NFT-Kunst unvermindert an. Im vergangenen Jahr entfielen bereits 2 Prozent des weltweiten Kunstmarkts auf diesen Sektor – Indiz eines sich verändernden Markts, bei dem junge Käuferschichten der Generationen Y in Online-Auktionen innovative Kunst kaufen und Asien eine immer größere Rolle spielt.

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