Auktion Neumeister

Ein Schloss in sechzig Kisten

Neumeister versteigert den „Schatz der Württemberger“ aus dem oberschlesischen Carlsruhe – und ruft vor allem beim Porzellan zu verlockend niedrigen Taxen auf

Von Thomas Kemper
28.03.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 5/22

„Kein allgemein bekannter Ort ist Carlsruhe in Schlesien“, schrieb der Historiker Friedrich Carl Esbach 1907. Das ist sicherlich auch heute noch so – die für den 30. März angesetzte Sonderauktion bei Neumeister mit dem kryptischen Titel „Hidden Treasures. Schätze aus dem Hause Württemberg“ hat aber jedenfalls das Potenzial, das zu ändern. Zum Aufruf kommen über 500 Lose mit marktfrischen Objekten aus den Bereichen Porzellan, Goldschmiedekunst, Glas, Möbel, Uhren, Malerei und Grafik, die ehemals zum Inventar und zur Hofhaltung der Herzöge von Württemberg-Oels, der schlesischen Linie des vormals regierenden Königlichen Hauses Württemberg auf Schloss Carlsruhe (heute: Pokój, Republik Polen) gehörten. Die Taxierung ist durchgängig moderat. Die Gesamtsumme der unteren Schätzpreise liegt knapp über 600.000 Euro.

Neumeister Auktion Schloss der Württemberger
Die 14-teilige Tischdekoration aus Flussglas mit filigranen vergoldeten Bronzefassungen stellt für die Kunstgeschichte einen ganz besonderen Schatz dar. Die Gefäße wurden ab 1794 von Werner & Mieth in Berlin gefertigt und sind mit 7000 Euro taxiert. © Neumeister, München / Christian Mitko

Das Anwesen wurde nach Kriegsende 1945 durch die Rote Armee geplündert und ging schließlich in Flammen auf. Glücklicherweise waren Teile des historischen Inventars, in sechzig mächtige Holzkisten gepackt, schon um 1930 in den Westen gelangt, als die Eltern Herzog Ferdinand Eugens – des letzten Schlossherren, der 2020 im Alter von 95 Jahren starb – in die schwäbischen Stammlande übersiedelten. Der Inhalt dieser Kisten kommt nun zur Auktion.

Erst bei der zweiten Durchsicht der Objekte durch das Neumeister-Team stellte sich heraus, dass knapp zwanzig fragile Gefäße aus Flussglas mit filigranen vergoldeten Bronzefassungen für die Kunstgeschichte einen ganz besonderen Schatz darstellen – und so werden die Objekte sicher schon im Vorfeld der Versteigerung große Beachtung finden. Sie wurden ab 1794 von Werner & Mieth in Berlin gefertigt und mit größtem Erfolg verkauft. Auf zwei Lose verteilt, sind sie mit 5000 und 7000 Euro – sehr vorsichtig – taxiert.

Neumeister Schloss der Württemberger
Die zwei großen KPM-Vasen, sogenannte Apothekerbüchsen, mit prägnanten vergoldeten Pinienzapfen als Deckelknauf (um 1780) kommen bei 1500 Euro zum Aufruf. © Neumeister, München / Christian Mitko

Die Tafelkultur nahm an den Fürstenhöfen des 18. und 19. Jahrhunderts eine herausragende Rolle ein. Man zielte auf eine glanzvolle Inszenierung, wie die in der Auktion offerierten Objekte dieses Sektors aus den Bereichen Goldschmiedekunst (rund 35 Lose) und Porzellan (110 Lose) zeigen. Das große KPM-Tafelservice „mit bunten natürlichen Feldblumen und kleinen Calitten (Schmetterlingen) nebst grünem Eichenlaub-Krantz um Bord“ umfasst circa 170 Geschirrteile (Taxe 2500 Euro). Das Modell (725) trägt die Bezeichnung „Glatt“. Es entstand in der spätfriderizianischen Zeit, als die Manufaktur sich dem neuen frühklassizistischen Stil zuwandte. Serviceteile, die zu Bruch gingen, wurden durch später angefertigte Stücke ergänzt. Die Losnummern 1010 (26 Teile) und 1011 (27 Teile) liefern die dazugehörigen Dessertteller, komplettieren also das Ensemble (Taxe je 1200 Euro).

Zwei große Vasen, sogenannte Apothekerbüchsen, sind ebenfalls vom frühen Klassizismus beeinflusst. Der Dekor mit den über den Vasenkörper gezogenen Goldstäben, um die sich farbige Rosenfestons winden, geht in ein purpurfarbenes Schuppenmuster über. Als Deckelknauf dient ein prägnanter vergoldete Pinienzapfen (Taxe 1500 Euro).

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