Neumeister versteigert den „Schatz der Württemberger“ aus dem oberschlesischen Carlsruhe – und ruft vor allem beim Porzellan zu verlockend niedrigen Taxen auf
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28.03.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 5/22
Aus der umfangreichen Gruppe der Fürstenbildnisse ragt ein signiertes und 1820 datiertes Porträt des Münchner Hofmalers Joseph Stieler hervor. Es zeigt die selbstbewusste „Erzherzogin Henriette Alexandrine von Österreich, Prinzessin von Nassau-Weilburg“. Das Bild kommt bei 40.000 Euro – der höchsten Taxe aller Lose – zum Aufruf. Qualitätvolle Bildnisse von der Hand Stielers erzielten bei Neumeister in jüngster Vergangenheit stets gute Ergebnisse.
Unter den Porträts der fürstlichen Herren sticht ein kleinformatiges Reiterbildnis eines unbekannten deutschen Malers hervor (Taxe 2000 Euro). Es zeigt den gealterten Herzog Eugen Friedrich Heinrich von Württemberg-Carlsruhe in voller Montur der preußischen Husaren auf einem Rappen. Ross und Reiter sind streng im Profil dargestellt. Bei näherer Betrachtung der Physiognomie und Haltung des Herzogs kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, der Maler habe eine Karikatur intendiert. Weiter fällt auf, dass der Maler das Werk „Roy à Cheval“ – Friedrich II. von Preußen zu Pferd (um 1772) – von Daniel Chodowiecki kannte und als Typus zum Vorbild für seinen „Duc à Cheval“ nahm.
Der Meininger Bildnismaler Johann Heinrich Schröder (1757 – 1812), der an zahlreichen deutschen Fürstenhöfen (Berlin, Braunschweig, Kassel, Karlsruhe und Meiningen) wirkte, prägte mit seinem umfangreichen Werk das deutsche Adelsporträt des Klassizismus. Die familiäre Verbindung zwischen den Herzögen von Sachsen-Meiningen und der schlesischen Linie der Württemberger ist der Grund dafür, dass Schröder zahlreiche Pastellbildnisse von Herzog Eugen Friedrich Heinrich von Württemberg-Carlsruhe anfertigte. Neumeister kann sechs Bildnisse Schröders von Eugen Friedrich Heinrich anbieten, die allesamt ins Werkverzeichnis übernommen werden. Darunter befinden sich zwei hervorragende Pastelle. Das erste zeigt den Herzog in grauer, pelzverbrämter Husarenuniform. Das zweite ist ein Altersporträt in brauner Joppe (Taxe je 1000 Euro). Das Altersbildnis ist auch noch in eine ovalen Pastellminiatur integriert (Taxe 200 Euro).
Im Möbelbereich gibt es zwei Kleinmöbel von musealer Güte. Ein ovaler (Arbeits-?)Tisch mit sich verjüngenden Vierkantbeinen in Fußschuhen mit Rollen wurde 1785 / 90 in der Manufaktur des Ebenisten David Roentgen in Neuwied gefertigt. Das Objekt wurde wohl für den Hof in Württemberg erworben und kam erst nach dem Brand des Schlosses im Jahr 1798 nach Carlsruhe. Das Möbel weist Alters- und Gebrauchsspuren sowie kleine Restaurierungen auf und soll mindestens 25.000 Euro bringen. Das zweite bedeutende Kleinmöbel ist ein Nachttischchen mit aufwendigen Dekorationselementen, das um 1800 in der Manufaktur von Johannes Klinckerfuß entstand (Taxe 8000 Euro). Klinckerfuß war 1799 von Herzog Friedrich II. von Württemberg in die Residenzstadt Stuttgart berufen worden. Im Herbst 2008 war ein ebenfalls um 1800 entstandener Schreibschrank von Klinckerfuß bei Neumeister von 2000 auf 62.000 Euro geklettert.
Im Bereich Grafik finden sich Porträts von Mitgliedern württembergischer und anderer Herrschergeschlechter, dazu Jagd-, Reiter-, Tier- und Wilddarstellungen, Veduten etc. Ein Konvolut mit fünf repräsentativen Kupferstichen verschiedener Augsburger Meister des späten 17. und 18. Jahrhunderts, namentlich Bartholomäus Kilian und Johann Lorenz Rugendas, zeigen Porträts Württemberger Herzöge (Taxe 300 Euro). Ein Los mit Johann Elias Ridingers Stichfolge „Betrachtung der wilden Thiere mit beygefügter vortrefflichen Poesie des hochberühmten Herrn Barthold Heinrich Brockes“ beinhaltet 32 der insgesamt 40 Blätter (Taxe 2500 Euro).
Unter der Losnummer 1398, genannt „Pläne für den Bau, Ausbau, und Umbau des Schlosses Carlsruhe“ – 2 Mappen mit ca. 150 Blättern –, verbirgt sich mit großer Wahrscheinlichkeit ein architekturhistorischer Schatz, auf dessen Grundlage es möglich sein könnte, die Baugeschichte des zerstörten Anwesens zu erforschen.
„Hidden Treasures. Schätze aus dem Hause Württemberg“,
Neumeister München,
Auktion 30. März,
Besichtigung 24. – 28. März