Karl Hagemeister

Silberpappeln und Wellenkämme

Auf dem Auktionsmarkt haben die Werke des Landschaftsmalers Karl Hagemeister in den letzten zwei Jahren eine Aufwertung erlebt, die bei der Kunst des 19. Jahrhunderts nur selten zu beobachten ist. Wie kam es dazu?

Von Michael Lassmann
23.08.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 13/22

Mit gleich drei Werten über 30.000 Euro begann 2020 auf einem recht guten Niveau; im Juni etwa vervierfachten eng in den Bildausschnitt gerückte „Birken am Bach“ bei Dr. Fischer, Heilbronn, mit einem Höchstgebot über 40.000 Euro den Taxwert, und gleich im Juli schrieb Ketterer, München, dann die zwei bislang mit Abstand höchsten Ergebnisse für Hagemeisters Signatur: Zuerst wurde eine mit 10.000 eher unauffällig geschätzte Stimmung mit „Birken im Herbst am Bachlauf“ unerwartet auf nie zuvor realisierte 165.000 Euro hochgesteigert, ein Rekordwert, der jedoch nur wenige Minuten später überholt war: Das Bietgefecht um das folgende Los, einen bereits 1884 datierten „Waldweiher“, endete nämlich erst bei 175.000 Euro, hier hatten die Erwartungen allerdings bei 35.000 Euro gelegen. Mit zwei weiteren sechsstelligen Ergebnissen setzte das Haus den Höhenflug gegen Jahresende fort. Zuerst kletterte die grob unterschätzte Mischtechnik „Uferlandschaft mit Kiefern und Seerosen“ von 8000 auf 130.000 Euro, und gleich darauf wurde eine etwas gespreizt betitelte „Bewegte See mit gischtenden Wellenkämmen“ von 30.000 auf 105.000 Euro hochgezogen.

Karl Hagemeister Brandungswelle Stürmische See auf Rügen
Bei Ahrenshooper Kunstauktionen erzielte Karl Hagemeisters „Brandungswelle“ im August letzten Jahres 75.000 Euro. © Ahrenshooper Kunstauktionen

Die Münchner Zahlen setzten auch deutschlandweit Impulse: Bei Ahrenshooper Kunstauktionen schrieb man im August letzten Jahres mit einer sturmgepeitschten „Brandungswelle“ 75.000 Euro (Taxe 35.000), und auch heuer im Juni konnte Lempertz, Köln, für einen großformatigen „Bachlauf mit Birken und Erlen“ mit 66.000 Euro den Schätzwert mehr als verdoppeln. Ketterer scheint jedoch vorerst auf sechsstellige Preise abonniert: Zehn Tage später hoben die Münchner einen „Verschneiten Birkenwald an einem Bachlauf“ aus der ersten Hälfte der 1890er-Jahre von geschätzten 50.000 erneut auf 105.000 Euro. In der gleichen Auktion erwies sich ein weiteres Mal, dass das neue Faible für Hagemeister sich nicht auf allzu frühe Datierungen erstreckt: Eine „Meeresküste“ von 1872 blieb trotz des vorgeschlagenen Mitnehm-Preises von 3600 Euro liegen.

Das Segment der Zeichnungen profitierte hingegen erkennbar vom starken Kurs der Gemälde – soweit es sich um bildmäßig ausgeführte Blätter in entsprechender Größe handelt. Sämtliche Werte über 20.000 Euro stammen aus den letzten 15 Monaten; die zwei Spitzenergebnisse gelangen im vergangenen Oktober bei Quentin, Berlin, mit 34.000 Euro für eine „Kiefernstudie“ in Ölkreidetechnik und gerade erst Anfang Juni bei Lempertz, Köln, mit 36.000 Euro für ein Seerosen-Pastell.

Im Juni konnte Lempertz, Köln, für einen großformatigen „Bachlauf mit Birken und Erlen“ mit 66.000 Euro den Schätzwert mehr als verdoppeln. © Lempertz, Köln

Resümee

Mit 96 Losen nahm die Offerte an Gemälden seit 2012 um 20 Prozent zu, wobei die Quote der Rückgänge von 16 auf 5 Prozent gedrückt werden konnte.

Besonders in den letzten zwei Jahren zogen die Preise signifikant an: Der Anteil der Zuschläge unter 5000 Euro halbierte sich, während Transaktionen im fünfstelligen Bereich statt wie zuvor 25 mittlerweile 70 Prozent ausmachen.

Mit 16 Notierungen über 50.000 Euro ist endgültig ein neues Preisniveau etabliert; vor 2012 wurde diese Schwelle nur einmal durchbrochen. Seit 2020 realisierte Ketterer, München, sogar fünf Werte über 100.000 Euro.

Der Kursanstieg hat auch bildmäßig ausgearbeitete Zeichnungen erfasst: Alle Werte über 20.000 Euro wurden in den letzten 15 Monaten notiert

Service

WERKVERZEICHNIS

Weitere Information zum Werkverzeichnis von Karl Hagemeister gibt es hier

Zur Startseite