Viele Rückgänge und Zuschläge weit unter Taxe stehen vereinzelten heftigen Ausschlägen nach oben gegenüber – bis hin zum mit Abstand teuersten jemals verkauften fotografischen Werk
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12.09.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 14/22
Oder bei Swann im vergangenen September die Sammlung von Virginia Zabriskie, Inhaberin der gleichnamigen berühmten Galerie. Toplos war hier ein Objekt, wieder von Man Ray, das berühmte Metronom mit der ans Pendel gehefteten Fotografie des Auges von Lee Miller. Als „Object to be destroyed“ einst tatsächlich zerstört, erstand es mehrmals wieder auf, unter anderem 1970 für die Galerie Il Fauno in einer Auflage von 40 Exemplaren als „Perpetual Motif“ mit einem Hologramm besagten Auges, das sich mit der Pendelbewegung öffnete und schloss. Mit 130.000 Dollar wurde die Taxe für das Exemplar Nr. 32 aus dieser Serie mehr als verdreifacht. Es gab aber auch wunderbare Objekte zu erschwinglichen Preisen, wie etwa die Aufnahme, die Naomi Savage, Man Rays Nichte, 1963 von ihrem Onkel und dessen Freund Marcel Duchamp anfertigte. Mit 1800 Dollar bezahlte ein Käufer fast das Doppelte des Schätzpreises.
Grisebach bot im Dezember eine namenlose „New York Collection“ an (s. KUA 19 / 2021, S. 8). Highlights waren zwei Evergreens der Modefotografie jeweils in kleinerem Format: einmal Newtons „Sie kommen“, nackt und bekleidet, aus einer Auflage von 10, beide circa 48 mal 48 Zentimeter groß, mit einem respektablen Ergebnis von 160.000 Euro. Zum anderen Richard Avedons „Dovima with Elephants“ in einem Abzug aus dem Besitz der „Famous Photographer’s School“ in Westport, gegründet Anfang der 1960er-Jahre von Avedon, Penn, Eisenstaedt und anderen, 1974 wieder geschlossen. Das Archiv befindet sich heute in der Yale University. 90.000 Euro erzielte der Abzug aus der Zeit vor 1964 in einer Größe von 49 mal 36 Zentimetern. Im April übrigens konnte Sotheby’s einen unwesentlich größeren Abzug in einer Online-Auktion bei einer Taxe von 180.000 Dollar nicht verkaufen. Wohingegen Newton in einer Contemporary-Auktion bei Christie’s im Mai mit einer einzelnen „Big Nude III (Variation)“ von 1980 in einem Abzug von 1990 und in der Größe von circa 196 mal 111 Zentimetern mit einem Ergebnis von 1,9 Millionen Dollar (Taxe 800.000 Dollar) einen neuen Auktionsrekord verbuchte. Der einzige Abzug von diesem Motiv war einst ein Geschenk von Newton an den Galeristen Rudolf Kicken.
In solche Preisklassen dringt man auf dem hiesigen Markt nicht vor, auch wenn Van Ham ein aus der Sammlung Olbricht stammendes großformatiges Bild aus der Serie der „Clowns“ (2004) von Cindy Sherman letzten Dezember für 195.000 Euro, und damit über der Taxe, verkaufen konnte, allerdings nicht im Rahmen einer Foto-Auktion, sondern bei Zeitgenössischer Kunst.
Wie immer gibt es bei Bassenge Entdeckungen zu machen nicht nur was das 19. Jahrhundert betrifft, sondern auch etwa einen Vintage-Abzug der großartigen Evelyn Richter, die letztes Jahr im Alter von 91 Jahren verstorben ist. 1975 hielt sie eine Ausstellungsbesucherin vor Wolfgang Mattheuers Gemälde „Die Ausgezeichnete“ fest, eine in jeder Hinsicht subversive Aufnahme, die im Juni als Vintage bei angesetzten 1500 bis auf 5000 Euro stieg.
Eine gute Nachricht angesichts eines verunsicherten Markts mit einerseits vielen Rückgängen oder Verkäufen zum Teil weit unter Taxe, andererseits aber vereinzelten heftigen Ausschlägen nach oben, ist ein gestiegenes Angebot und Interesse an Fotografien aus dem 19. Jahrhundert. Phillips in London konnte am 25. Mai ein in dieser Form einzigartiges Exemplar von Gustave Le Grays Dokumentation der (Show-)Manöver der französischen Armee, betitelt „Souvenirs de Camp de Châlons“ aus dem Jahr 1857 zum Aufruf bringen. Es handelt sich um ein Album mit insgesamt 66 Albuminabzügen, das von Napoleon III. für seinen höchsten Offizier, Général Regnaud de Saint-Jean d’Angély, gedacht war. Das angebotene Exemplar stammt aus dessen Familie und wechselte, bei einer Taxe von 100.000 Pfund, für 260.000 Pfund zum ersten Mal den Besitzer.
Ebenfalls eine Rarität kam am 13. April bei Sotheby’s in New York zum Aufruf, nämlich ein Albuminabzug – der einzige bekannte von diesem Motiv – von Thomas Eakins aus der Zeit von um 1883. Er zeigt zwei nackte junge Männer beim Boxkampf im Freien, umlagert von eher entspannt wirkenden ebenfalls nackten männlichen Zuschauern. Die große Kriegsshow und der kleine Wettkampf erzielten zahlenmäßig denselben Preis, in New York allerdings in Dollar und bei einer Schätzung von 30.000. Es sieht derzeit nicht danach aus, als würde, trotz einer fast völligen Digitalisierung der Fotografie als Medium, den Markt hinsichtlich NFTs dasselbe Schicksal ereilen. Da denkt man doch eher an die Tulpenmanie im Holland des 17. Jahrhunderts.