Kunstmarkt für Porzellan

Ein Pfau macht sich begehrt

Nach den spektakulären Erfolgen von 2021 ist es um die keramische Kunst ruhiger geworden. Zwar werden nach wie vor bedeutende Werke versteigert, aber die Preise bleiben moderat. Mit erfreulichen Ausnahmen

Von Thomas Kemper
19.12.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 19/22

Das Porzellanjahr 2021 stand ganz unter dem Eindruck der „Jahrhundertauktion“ der Sammlung Oppenheimer, die alle Rekorde schlug und den Markt in diesem Segment spürbar belebte. In den vergangenen zwölf Monaten zeigte sich das Auktionsgeschehen dagegen eher ruhig und unaufgeregt – eine ganze Reihe von respektablen Ergebnissen eingeschlossen. Der Blick auf die Aktivitäten der Versteigerungshäuser von Koller (Zürich) und Dorotheum (Wien) über Metz (Heidelberg), Lempertz (Köln/Berlin), Van Ham (Köln) bis zu den großen Londoner Häusern Bonhams, Christie’s und Sotheby’s zeigt: Qualitätvolle, künstlerisch bedeutende Objekte aus deutschen Manufakturen, um die es in diesem Überblick vor allem geht, wurden von den Spezialisten der Häuser in beachtlicher Zahl akquiriert und fanden eine kennerschaftliche Käuferschar. Ausgesuchte Provenienz fachte, wenn nachweisbar, den Kaufreiz wie immer an.

Aufmerksam verfolgt wurde in der Branche der Einstieg der Kunsthandlung Langeloh, die schon seit mehr als 100 Jahren in Familienbesitz betrieben wird, ins Versteigerungsgeschäft. Bereits zum zweiten Mal stellte man im Mai für eine Online-Only-Auktion eine prächtige Offerte zusammen. Christian Kirsch aus dem Haus Langeloh zeigte sich über das erzielte Gesamtergebnis hoch erfreut. So fand etwa ein sehr seltenes Meissener Koppchen mit dazugehörigem doppelhenkligem Einsatz von 1727 für beachtliche 14.000 Euro einen Käufer. Fürs Frühjahr 2023 bereitet die Familie Kirsch „Online Only III“ vor.

Pfau Christies Meissen
Der kleine, 18 Zentimeter hohe, stolz mit seinen Federn radschlagende Pfau erzielte bei Christies's in London 140.0000 Pfund. © Christie’s Images Ltd. 2022

Christie’s in London präsentierte im Juli bei seinem „Exceptional Sale“ zwei außergewöhnliche Meissener Porzellanplastiken. Beiden Stücken ist gemeinsam, dass die genauen Umstände ihrer Entstehung noch immer im Dunkel der Kunstgeschichte liegen. Ein kleiner, 18 Zentimeter hoher, stolz mit seinen Federn radschlagender Pfau wurde wohl von Georg Fritzsche um 1731 modelliert. Die Staffierung des bisher noch nie publizierten Pavos ist ganz in den Formen und Farben des japanischen Kakiemon-Stils gehalten. Nur drei Exemplare sind, inklusive dieser Version, von dem Federtier bislang nachgewiesen. Es wurde zu einer Taxe von 120.000 Pfund aufgerufen und schließlich für 140.0000 Pfund zugeschlagen. Von hohem Reiz ist auch die Figurengruppe, bei der ein Putto und ein kindliche Meerfrau ihr Spiel mit einem Delfin treiben. Die Porzellanskulptur voller Bewegung entstand um 1741, der montierte Rocaillesockel aus vergoldeter Bronze um 1760 in Paris, womöglich in der Caffieri-Werkstatt. Das Schaustück konnte seine Schätzung von 35.000 Pfund fast verdoppeln und erzielte am Ende einen Hammerpreis von 60.000 Pfund. Im Dezember 2021 reüssierte bei Christie’s eine frühe Meissener Deckelvase aus weiß glasiertem Böttgerporzellan, ehemals in den Sammlungen der italienischen Könige. Das Modell fertigte um 1715 der sächsische Hofgoldschmied Johann Jakob Irminger. Bei moderater Taxe von 20.000 Pfund aufgerufen, kam es erst bei 85.000 Pfund zum Besitzerwechsel.

Christie's Figurengruppe Porzellan Putto
Die Figurengruppe konnte ihre Schätzung von 35.000 Pfund fast verdoppeln und erzielte bei Christie's in London einen Hammerpreis von 60.000 Pfund. © Christie’s Images Ltd. 2022

Es ist mittlerweile eine Tradition, dass Lempertz seine Frühjahrssaison mit der „Preußen-Auktion“ in der Hauptstadtrepräsentanz des Hauses eröffnet. Die Berliner Porzellanmanufaktur KPM, wo vom 18. bis 20. Jahrhundert so hervorragende Porzellanwerke entstanden, bilden dabei stets ein Zentrum der Offerte. Doch diesmal mangelte es im Angebot an ausgefallenen und hochpreisigen Höhepunkten. Ist KPM kein Zugpferd mehr? Berlin selbst geht stiefmütterlich mit diesem Schatz um und hält die weltweit beste KPM-Sammlung im Belvedere des Schlossparks Charlottenburg seit über drei Jahren für Besucher geschlossen. Es ist weiter bemerkenswert, dass die inzwischen rund 2500 Objekte umfassende Kollektion auch nach einem halben Jahrhundert ihres Bestehens nicht wissenschaftlich erschlossen ist. Ein umfassender Katalog dieses einzigartigen Bestands würde der Kunstwissenschaft genauso nützen wie Sammlern, Händlern und den Experten der Auktionshäuser.

In die Offerte der Preußen-Auktion war ein Teil der Sammlung der Berliner Kunsthistorikerin und Porzellanexpertin Annedore Müller-Hofstede aufgenommen; der zweite Teil kam bei Lempertz’ Kunstgewerbe-Auktion in Köln zum Verkauf. Müller-Hofstede fokussierte sich auf „intellektuelle“ Dekore mit literarisch-mythologischen Bezügen und Darstellungen, namentlich aus Ovids Metamorphosen. Ein seltener Dessertteller aus einem kombinierten KPM-Tafelservice mit mythologischen Darstellungen für Friedrich II. (um 1783) konnte sich bei taxierten 3000 Euro auf 4800 Euro steigern.

Koppchen Ignaz Preissler Lempertz Köln
Das Glanzstück der Müller-Hofstede-Sammlung: ein Koppchen mit Unterschale von Ignaz Preissler. Bei Lempertz in Köln fiel der Hammer bei 21.000 Euro. © Lempertz, Köln

Ein Tischdenkmal für Christian Fürchtegott Gellert, in Meissen nach dem Modell von Michel Victor Acier 1777 gefertigt und auf 2000 Euro geschätzt, erzielte 4500 Euro. Erwähnt sei noch eine seltene klassizistische KPM-Teekanne in der „campanische“ Form von 1801, ausgeführt mit Steinimitationsdekor. Hier fiel der Hammer bei 4600 Euro. Das Glanzstück der Müller-Hofstede-Sammlung in der Kölner Auktion war ein Koppchen mit Unterschale, die von Ignaz Preissler, einem schlesisch-böhmischen Hausmaler in Eisenrot en camaieu mit feinen Landschaften und mythologischen Szenen geschmückt wurde. Die Schätzung von 8000 Euro konnte fast verdreifacht werden: 21.000 Euro lautete das Höchstgebot.

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