Kunstmarkt für Porzellan

Ein Pfau macht sich begehrt

Nach den spektakulären Erfolgen von 2021 ist es um die keramische Kunst ruhiger geworden. Zwar werden nach wie vor bedeutende Werke versteigert, aber die Preise bleiben moderat. Mit erfreulichen Ausnahmen

Von Thomas Kemper
19.12.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 19/22

Das Haus Metz in Heidelberg erregte Aufsehen, weil es bei seiner Porzellan-Auktion im Oktober aus einer norddeutschen Sammlung 28 Böttgersteinzeug-Objekte aus der Frühzeit in Meissen aufrufen konnte. Die roten Stücke, eine Vorform des von Johann Friedrich Böttger 1708 erstmals in Europa realisierten Porzellans, sind am Markt begehrt, weil selten und zudem sehr reizvoll in ihrer Ästhetik. Gleichwohl fanden nicht alle Lose das Wohlwollen der Bieter. Am besten schnitt mit 40.000 Euro ein terrakottaroter Pokal ab, mit dem der Modelleur Irminger die klassische Form eines Trinkgefäßes aufgriff. Die Kuriosität eines Fingerhutetuis mit Silberfassung erzielte 37.000 Euro, gefolgt von aufwendig bearbeiteten und dekorierten Kannen und Teedosen, die zwischen 16.000 und 26.000 Euro rangierten. Neben dem Böttgersteinzeug stach bei Metz ein Meissener Walzenkrug von 1725 heraus, mit vergoldeter Silbermontierung und einer Szene aus dem Seehandel, gemalt von Johann Gottlieb Mehlhorn. Das herausragende Stück wurde für 54.000 Euro zugeschlagen.

Kanne Böttgersteinzeug Meissen Metz
Die 1710/13 entstandene Kanne aus Böttgersteinzeug erzielte bei Metz in Heidelberg 26.000 Euro. © Metz, Heidelberg

Eine Entwicklung, die sich seit Jahren festigt, war auch im vergangenen Jahr international zu beobachten: Qualitätvolle Porzellane des Historismus werden zunehmend geschätzt. Das Wiener Dorotheum versteigerte im Mai eine große Porzellanuhr mit Weichmalereidekor, um 1900 von KPM gefertigt. Der Hammerpreis von 58.000 Euro ließ die taxierten 30.000 Euro deutlich hinter sich. Bei Schloss Ahlden war eine Meissener Prunkvase mit Szenen nach Moritz von Schwind erfolgreich – Zuschlag 80.000 Euro.

Bemerkenswert war, dass qualitätvolle Porzellane kleiner deutscher Manufakturen zum Teil sehr gute Preise erzielten, und dies auch am internationalen Markt. So offerierte Christie’s London im September bei seiner Online-Auktion „The Collector“ ein exquisites Rechaud aus Höchst, dessen Griffe als Mopsköpfe mit delikater Staffierung gestaltet sind. Auf die Wandung sind farbenprächtige Blumen und Insekten gemalt. Solche kleinen Gerätschaften hatten die Funktion als Speisewärmer oder Nachtlicht. Die Schätzung lag bei niedrigen 1500 Pfund, von dort sprang das Werk auf 12.000 Pfund. Und ein zweites Artefakt aus Höchst errang bei dieser Auktion einen eindrucksvollen Zuschlag: eine Figur der tanzenden Ragonda aus der Commedia dell’Arte, die um 1752 wohl maßgeblich von dem Bildhauer und Elfenbeinschnitzer Johann Christoph Ludwig Lücke modellierte wurde. Vorzüglich ist die Staffierung mit hellen leuchtenden Farben. Die Kleinskulptur ließ die geschätzten 4000 Pfund weit hinter sich, um schließlich bei 30.000 Pfund zu landen.

KPM Berlin Uhrgehäuse Weichmalerei Dorotheum Wien 19 Jahrhundert
Die große Porzellanuhr mit Weichmalereidekor aus dem späten 19. Jahrhundert, von KPM gefertigt, wurde im Wiener Dorotheum bei 58.000 Euro zugeschlagen. © Dorotheum, Wien

Die kurpfälzische Manufaktur in Frankenthal sorgte bei Metz für einen beachtlichen Preis. Ein aufwendig dekoriertes Frühstücksservice von 1778 sollte mindestens 36.000 Euro bringen, dann wurden sogar 51.000 Euro daraus. Auf eine bewegte und erfolgreiche Geschichte blickt die Manufaktur Fürstenberg, die in diesem Jahr den 275. Jahrestag ihrer Gründung feierte. Erst vor Kurzem offerierte Christie’s New York bei der Online-Versteigerung der Ann and Gordon Getty Collection vier klassizistische Dessertteller mit prachtvoll gemalten Blumen und Früchten. Sie wurden von 4000 auf 9000 Dollar gehoben.

In Paris versteigerte Christie’s im Juni die Sammlung und das Inventar verschiedener Wohnsitze von Hubert de Givenchy. Ein flüchtiger Blick in die Auktionskataloge genügte, um zu sehen, dass der Couturier sich nicht mit sammlungswürdigem Porzellan deutscher Manufakturen umgab. Zwei weiß glasierte Nashörner „Clara“, wohl in den 1970ern bei Nymphenburg gefertigt, waren zu Recht mit nur 400 Euro angesetzt. Als der Hammer über dem Los mit Pariser Flair und Prominenzbonus fiel, hatte sich die Taxe auf 5000 Euro mehr als verzehnfacht.

Christies Nachtlicht 1770 Rechaud London
Christie’s London offerierte ein exquisites Rechaud aus Höchst, dessen Griffe als Mopsköpfe mit delikater Staffierung gestaltet sind. Die Schätzung lag bei 1500 Pfund, von dort sprang das Werk auf 12.000 Pfund. © Christie’s Images Ltd. 2022

Zum Schluss sei vermerkt, dass nicht frühes Meissen, sondern die französische Manufaktur Sèvres mit Werken des 18. Jahrhunderts für die höchsten Preise sorgte. Spektakulär war der Erfolg eines Rechauds von 1758, das sich auch als Brûle-parfum nutzen lässt. Fraysse in Paris bot es im Juli zur Taxe von 80.000 Euro an; am Ende war das siegreiche Gebot bei 800.000 Euro angelangt. Im Oktober folgte dann bei Sotheby’s die Auktion der Ausstattung des Hôtel Lambert in Paris, das Scheich Hamad Bin Abdullah Al Thani aus der Herrscherfamilie von Katar mit viel Geld zu einem Schatzhaus klassischer französischer Wohnkultur ausgebaut hatte. Das Spitzenlos beim Porzellan war ein luxuriöses Vasenpaar aus Sèvres mit Goldbronzemontierung, das König Ludwig XVI. einer spanischen Prinzessin schenkte (Taxe 400.000 Euro). Auch diese beiden Prachtstücke erzielten 800.000 Euro.

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