Essen als soziale Praxis: Das Kollektiv Britto Arts Trust aus Bangladesch hat auf der Documenta 15 einen Garten angelegt und eine Küche gebaut. Nun lädt es Menschen aus aller Welt ein, gemeinsam zu kochen
ShareDas Projekt, bei dem sich alles um den Kreislauf von Lebensmitteln dreht, basiert auf vier Elementen. Zuerst werden Samen gepflanzt und daraus Pflanzen gezogen. Anschließend wird die Ernte an Bedürftige verteilt. Dabei soll eine strikte „Zero Waste“-Politik eingehalten werden. Während des gesamten Wachstums- und Ernteprozesses können die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler Werke aus den „Abfällen“ der eigenen Landwirtschaft erschaffen. Auf das Projekt wurde auch Ruangrupa aufmerksam. Die Vision gemeinschaftliche, kollaborative und nachhaltige Strukturen zu schaffen, haben beide Kollektive gemeinsam. Sie kennen sich schon seit vielen Jahren.
Bangladesch ist von der Erderwärmung besonders stark betroffen. Durch den steigenden Meeresspiegel und das Abschmelzen der Himalaya-Gletscher kommt es im Land immer wieder zu Überflutungen und Umweltkatastrophen. „Wann haben Sie zum letzten Mal Erde berührt?“, möchte Tayeba wissen. Eine Frage, die zum Nachdenken anregt und an deren Antwort sich vermutlich viele nicht genau erinnern können. Für die Documenta 15 hat das Kollektiv seine künstlerischen Konzepte rund um ökologische und nachhaltige Landwirtschaft weiterverfolgt. Mit ihrem Beitrag möchte es der westlichen Gesellschaft zeigen, wie wichtig es, ist die Natur zu schützen. Ebenso wichtig sei es, nicht zu vergessen, woher das Essen kommt und wie viel Arbeit beispielsweise hinter der Ernte steckt. Unter der Kommerzialisierung von Lebensmitteln leidet der globale Süden enorm. Britto Arts Trust sieht Essen als soziale Praxis und strebt dabei ein langfristiges Umdenken in unserem Umgang mit Nahrungsmitteln an.
Neben monumentalen Wandmalereien, von denen die meisten von den Mitgliedern des Kollektivs selbst gestaltet wurden, wird es in der Documenta-Halle außerdem einen „Object Market“ geben. Für die Installation hat Britto Arts Trust einen Basar mit Lebensmitteln aus Keramik nachgebildet. Die Objekte sollen verdeutlichen, dass Lebensmittel heutzutage meist von ihrer ursprünglichen Herkunft abgekoppelt sind. Einen Einblick in das ländliche Leben von Bangladesch geben Fotografien und Videoarbeiten. Für ein Herzensprojekt haben sich Tayeba und ihr Team im vergangenen Jahr auf eine Reise durch ihr Land gemacht. Dort haben sie Dörfer weit ab von den großen Städten besucht. Sie haben gemeinsam mit den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern gekocht, an rituellen Veranstaltungen teilgenommen und Geschichten zugehört. Nun soll das Gleiche in Kassel geschehen. Die offene Küche ihres Kochprojekts „Pakghor“ befindet sich draußen auf dem Auehang. Darum herum liegt der bengalische Garten („Palan“) mit den selbst gezogenen Gemüsepflanzen. Das Kollektiv hat sie letztes Jahr aus Bangladesch mitgebracht. Interessierte Köchinnen und Köche können sich über ein Onlineformular anmelden. „Letztendlich“, erklärt Taybea zum Ende unseres Gesprächs, „soll es aber weniger um das Essen gehen, sondern um die Geschichten, die dabei erzählt werden, und die Freundschaften, die in der Küche geschlossen werden.“